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Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Titel: Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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gefährlich, wenn sie lauschten und sahen und spürten und rochen. Markus stanzte sie mit genauen Schüssen aus der Realität heraus. Zurück blieben Löcher, nicht einfach zerfetzte Wunden im Beton oder sanftrot nachglühende Mulden im massiven Stahl der Träger. Es blieben leere Stellen in der Wirklichkeit. Markus erledigte mit jedem der kleinen Spione ein kleines Stück des Universums. Das war ein Rausch und ein Alptraum zugleich. Richtige Poeten hätten ein paar Zeilen über diese Durchbrüche ins Nichts zu schreiben gehabt. Markus war kein Poet, nur Musiker, und sein Instrument war im Augenblick ein feuerspeiendes Stück Technik. Seine Waffe, mit traumwandlerischer Sicherheit ausgerichtet, entsandte eine geballte Portion von Energie, und während ein Teil seiner Aufmerksamkeit das nächste Ziel anvisierte, verfolgte der Rest den Weg des Geschosses. Markus wusste, dass es nur Bruchteile von Zehntelsekunden dauern konnte, bis sein Schuss traf, und dennoch konnte er ihn beobachten. Das flirrende Päckchen aus der Mündung seiner Waffe strebte dem verräterischen Metallinsekt zu, als gleite es auf einem gespannten Draht entlang. Kurz ehe es einschlug, sah Markus das dem Untergang geweihte halbintelligente Maschinchen, eingegraben in seinen plötzlich nutzlosen Schutz. Die Glut des Geschosses riss für einen kurzen Moment funkelnde Fühler und einen winzigen Metallkörper aus dem Dunkel. Dann kam die Energie der Waffe an, und einige Kubikzentimeter der Wirklichkeit verwandelten sich in einen kleinen Feuerball, um dann zu verblassen und ein Loch zu hinterlassen. Zahllose Splitter und Fetzen zerstörter Bauteile flogen um jedes Loch herum.
    Markus fürchtete sich vor diesen Löchern.
    Alles andere nahm er wahr, am Rande. Die eilige Flucht durch Flure hindurch und Treppen hinauf, die knochenharte Fahrt in einem umprogrammierten Aufzug, der hinauf statt hinunter raste, rüttelnd und stampfend. Der Auswahl-Soldat, dessen silbriger Anzug in einem dumpfen Rot erblühte, während die Wucht des Treffers seinen Körper durch eine Wand hämmerte; und wieder eine bedrohliche Öffnung, aus der heraus das Nichts blickte. Das Kreischen des Stahls, den fehlgegangene Salven zersägten. Das kurze, erbitterte Feuergefecht auf dem Dach des Hochhauses, wo die dort postierten Leute vom Angriff Bonnies völlig überrascht wurden. Die belustigte Überraschung, als Markus entdeckte, dass die kleinen metallenen Insekten sich verwandelt hatten und versuchten zurückzuschießen. Der Geruch von erhitztem Metall und rauchendem Kunststoff. Weitere schadhafte Stellen in der Wirklichkeit. Splitter aus glühendem Beton, die durch die Luft summten. Spöttische Gedanken an die Schöpfer, denen ihr Produkt wohl ebenso aus den Händen geglitten war. Bewusstsein, das ein Leben, an ihm vorbeihuschend, bloß registrierte, ohne wirklich teilzunehmen. Der Gleiter, dessen Luken einladend offenstanden. Die mit silbrigen Visieren vermummten Köpfe der gegnerischen Truppe, die plötzlich am Rand des Daches auftauchten. Das heisere Gebell irgendeiner neuen Waffe, die man im Innern des Gebäudes nicht eingesetzt hatte.
    Und Maja Maja, wie diese Waffe sie auf dem Dach traf, von vorne, mitten durch die Brust. Der Aufschlag riss die Eingeweide aus ihrer Leibeshöhle heraus, und ihr Gesicht lächelte immer noch, während ein Nebel aus Körperflüssigkeiten und zerfetzten Organen hinter ihr wie eine schreckliche Blume erblühte, rot und weiß und in anderen fürchterlichen Farben, vermischt mit den Fetzen ihres Anzugs. Markus sah erstaunt auf den Körper der Engambosch-Frau, der für kurze Zeit aufrecht stand, von der Gewohnheit und der Langsamkeit der Zeit gehalten. Maja Maja bestand aus einem dieser Löcher in der Wirklichkeit, einer klaffenden Wunde in der Welt, und Markus spürte Angst davor, dass es noch mehr solcher Öffnungen geben könnte. Er hatte Angst, das Universum könnte in ein solches Leck hineinfallen und abhanden kommen.
    Dann brach Maja Maja zusammen. Die Reste ihres Leibes gaben der Schwerkraft nach. Hinter ihr regneten Blut und zermalmte Körpersubstanz herab. Harte Treffer gegen die Hülle des Gleiters ließen Markus mit den Zähnen klappern, und das Jaulen der Maschinen fräste sich durch seinen Schädel, einen Sekundenbruchteil bevor das Fluggerät startete. Das Dach und die Überreste der Engambosch sackten weg wie in einer Falltür. Die Welt begann zu verschwinden, vielleicht in einem dieser Löcher, die er selbst in sie hineingeschossen hatte.

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