Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)
Schwerweltungetümen besser zu ertragen. Dann waren da einige Serafimer, die sich typischerweise mit gebundenen Blüten behängt hatten. Ansonsten trugen sie dieselbe Kleidung wie an jedem Tag. Serafimer hielten festliche Bekleidung für sinnlos. Je nach Anlass einige bunte Blumen, welke Blätter oder geflochtene Zweige kamen ihnen absolut ausreichend vor. Diese Außenseiter unter den Gästen sprachen kaum miteinander, eingeschüchtert von dem enormen Lärmpegel, den das Partygeflüster von dreißig Karnesen hervorbrachte. Außerdem froren die Serafimer sichtlich, manche bibberten. Ihre Blumen sahen mitgenommen aus.
Niemand warf einen Blick auf die geöffneten Blenden, hinter denen sich ein weiter Blick in das Habitat von Die Neue Wohlfahrt auftat. Dieses Bild kannte jeder, und alle erinnerten sich nur ungern daran, wie sie früher einmal, als blutige Anfänger, das Panorama der in sich gekrümmten Landschaft auf der Innenseite der rotierenden Riesenröhre beeindruckend und berauschend gefunden hatten.
Kaddok tauchte auf, in kostbare Stoffe gehüllt wie die anderen Karnesen. Er musterte Veruca Salt eindringlich. Was er sah, gefiel ihm offenbar, denn er nickte ihr zu. Jana Hakon fühlte sich unbehaglich, denn ihr Gewand war schrecklich improvisiert, selbst zusammgestoppelt nach den Erinnerungen K‘jonasoidts. Glücklicherweise gab es niemanden im Umkreis von vielen Lichtjahren, der das zeremonielle Priesterinnengewand hätte als solches erkennen können: Nachtschwarz, enganliegend, knöchellang, seitlich tief geschlitzt, oben hochgeschlossen, schmucklos bis auf schmale silberne Linien, die in verwirrenden Schwüngen ihren Körper emporwanderten und am Hals in auswärts gewandte Drahtspitzen mündeten. In den meisten Gegenden von Galdäa hätte man es für äußerst geschmacklos gehalten, in dieser Kleidung auf einer Art von Geburtstagsfeier zu erscheinen. Außer in Lugg. In Lugg hätte man sich kaputtgelacht. Das Konzil der Schwestern dagegen würde unsagbare Dinge tun.
Jana konnte sich nur dazu beglückwünschen, dass sie so geistesgegenwärtig gewesen war, wollgestrickte lange Unterwäsche unter dem sakralen Gewand zu tragen. Sie konnte zwar ihre Körpertemperatur nach Belieben regeln, aber sie wollte nicht über Gebühr auffallen. Und sie spürte die Nachwirkungen dessen, was das Institut mit ihr angestellt hatte. Ja‘ana K‘jonasoidt Hakon T‘Arastoydt wusste genau, wozu sie fähig war, sie konnte sich jedoch noch nicht darauf verlassen. Es kam langsam eines nach dem anderen zurück, sehr langsam.
»Kaddok, darf ich Sie etwas fragen?«
Sie musste nach oben schauen, so nah stand der Karnese neben ihr. Beinah berührte ihr Gesicht den Bauch des Riesen, und ein unbekannter Geruch stieg ihr in die Nase. Ein Geruch, den sie nicht einordnen konnte.
»Bitte«, antwortete Kaddok, »fragen Sie.«
»Wenn ich es richtig verstanden habe, schenken sich Karnesen nichts zum Geburtstag, aber ...«
Kaddok schoss einen langen, durchdringenden Blick zu ihr herunter. Oh, was hatte sie gesagt? Und was für ein Duft war das? Ein spezielles karnesisches Parfüm? Oder war das der Körpergeruch eines karnesischen Mannes, der in einem für ihn glutheißen Zimmer schwitzte?
»Auf Karna wird kein Geburtstag gefeiert wie auf anderen Welten«, knurrte er in einem Tonfall, den er wahrscheinlich für gedämpft hielt. »Wir begehen den E-Tag. Der ist wichtiger. Karnesen feiern nicht ihren Geburtstag, sondern den Tag ihrer Empfängnis, weil das auf Karna so schwierig zu bewerkstelligen ist.« Wahrscheinlich war Janas Gesicht eine Art sprachloses Fragezeichen, denn Kaddok lächelte. »Jede vernunftbegabte Spezies sollte in der Lage sein, eine Geburt sicher zu planen und durchzuführen; wer sie zum Anlass nimmt zu feiern, der hat wirklich nur einen Anlass für irgendeine Party gesucht. Oder er zeigt, dass er sich nicht so weit vom Tierreich entfernt hat, wie er glaubt.«
Jana wollte ihren Ohren kaum trauen. Unter seinesgleichen und in dieser Umgebung sprach der wortkarge Kaddok plötzlich, als wäre er immer eine Plaudertasche gewesen. Und als wäre das nicht Überraschung genug, entdeckte sie Unerwartetes unter der Schicht aus muskelgepolsterter Gelassenheit, die die Karnesen all jenen zeigten, die auf die Klopse hinabschauten: Die Leute von Karna sahen ihrerseits auf den Rest der Menschheit herunter. Nicht so weit vom Tierreich entfernt, wie sie glauben – Kaddok hatte das im Ernst gesagt und wie eine Formel, die er schon oft
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