Galeeren in der Ostsee
ziehen.
Sollte man es gestatten, daß ein französisches Schiff in schwedischen Gewässern und in Anwesenheit eines russischen Kriegsschiffes von diesem beschlagnahmte britische Handelsschiffe kaperte? Dieser völkerrechtliche Knoten ließ sich nicht so leicht lösen, dachte er.
Er lehnte sich zurück und beobachtete Brownes Miene. »Habe ich irgend etwas vergessen?«
Browne sah ihn einige Sekunden lang an. »Ich glaube, Sir, je weniger Sie darüber zu Papier bringen, desto besser. Ich hatte an Bord des Frachters Zeit zum Nachdenken. Da befand ich mich in der Lage, selber handeln zu müssen, anstatt nur Ratschläge zu geben. Sie haben ein Gefecht gewonnen, nichts Gewaltiges, was das Antlitz der Erde verändern wird, aber es ist genau das, was unseren Leuten zu Hause Auftrieb geben kann. Sie hassen es, wenn einfache Leute wie sie von einer fremden Macht brüskiert und gedemütigt werden. Aber es gibt sicher auch Leute, die nicht so freundlich über Sie denken.«
Bolitho lächelte nachdenklich. »Weiter, Browne, ich bin ganz Ohr.« Browne sagte: »Admiral Sir Samuel Damerum zum Beispiel, Sir, wird nicht begeistert sein. Er könnte dadurch in den Augen anderer als Narr erscheinen, als Mann, dem es an Mut fehlt, sich für kleine Dinge – wie auch für große – einzusetzen.« Browne lachte etwas verlegen, als ob er zu weit gegangen wäre. »Wie ich sagte, Sir, ich hatte Gelegenheit, meine Einstellung zu den Mächtigen zu ändern, während ich weg war. Ehrlich gesagt: Ich bin froh, Leutnant zu sein, und dazu ein solch bevorzugter.«
Bolitho rieb sich das Kinn und streifte seinen Ehrensäbel auf dem Stuhl mit einem Blick. Auch dieses Omen war falsch gewesen. Er hatte recht getan zu handeln, und obwohl Neale zehn Tote dabei zu beklagen hatte, war es den Einsatz wert gewesen. Keine weltverändernde Schlacht, wie Browne es ausgedrückt hatte, doch sie würde ihr Selbstbewußtsein stärken und der Welt zeigen, daß England – auch wenn es allein stand – nicht zögerte, sich für seine Landsleute einzusetzen, wenn es darauf ankam.
Eine Stunde später befand er sich mit Inskip in einem Wagen auf dem Weg zum Schloß.
Es war schon spät und die Straße fast leer. Die Szenerie ähnelte mehr einem Mordkomplott als einer einfachen Befragung, dachte er. Allday hatte mitkommen wollen, aber Inskip war hart geblieben.
»Nur Sie, Bolitho. Das ist ein Befehl!«
Der Wagen fuhr durch einige Tore und hielt dann vor einem schmalen Seiteneingang.
Nachdem sie den Schnee von den Füßen getrampelt hatten, wurden sie durch mehrere Tü ren in eine andere Welt geleitet, in ein Märche nland von glitzernden Kronleuchtern und großen Gemälden. Man hörte von irgendwoher Musik und weibliche Stimmen und spürte Macht und höchsten Komfort.
Aber weiter drangen sie nicht vor. Man wies sie in einen kleinen, aber sehr schön ausgestatteten Raum mit bücherbedeckten Wänden und prasselndem Kaminfeuer.
Ein Mann erwartete sie. In seiner blauen Samtrobe wirkte er elegant wie der ganze Raum. Seine schweren, goldbestickten Ärmelaufschläge reichten bis an die Ellenbogen. Er machte den Eindruck, als würde er nie übereilt und ohne Würde handeln.
Er musterte Bolitho nachdenklich, wobei sein Gesicht im Schatten blieb. »Der Generaladjutant konnte nicht kommen. Er mußte aufs Festland hinüber.« Er sprach ohne Akzent und in einem Ton, der den warmen Raum zu streicheln schien.
Dann fuhr er fort: »Ich werde mich mit dieser Sache befassen, Ko nteradmiral Bolitho. Als sein Gehilfe bin ich mit der ganzen Angelegenheit sowieso gut vertraut.«
Inskip begann zu sprechen. »Tatsache ist, Sir, daß…«
Eine Hand wurde gehoben wie von einem Priester, der den Segen erteilen will, und Inskip verstummte.
»Lassen Sie mich zunächst dies sagen: Sie haben die sechs englischen Schiffe durch Ihre Aktion gerettet. Sie Ihrerseits retteten sich dadurch, daß Sie Kopenhagen anliefen. Hätten Sie ein französisches Schiff, gleichgültig, unter welchem Vorwand, in dänischen Gewässern angegriffen, dann hätten weder Sie noch Ihr Schiff jemals wieder England erreicht, seien Sie dessen sicher. Sie haben Krieg mit Frankreich, nicht mit uns. Aber wir müssen in einer Welt bestehen, die von London und Paris auf den Kopf gestellt ist, und wir werden keinen Augenblick zögern, unser Schwert zu ziehen, um das zu schützen, was uns heilig ist.« Seine Stimme wurde weicher. »Das heißt nicht, daß ich Sie nicht verstehe, Admiral. Ich tue es, besser vielleicht, als Sie
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