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Galeeren in der Ostsee

Galeeren in der Ostsee

Titel: Galeeren in der Ostsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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berichten.«
    Er trat in die kleine Schlafkammer und näherte sich zögernd der mit den Schiffsbewegungen schwingenden Koje. Es war immer dasselbe: die schreckliche Angst vor dem Wundbrand und was er aus einem machen konnte.
    Er sagte: »Guten Morgen, Sir.
Lookout
hat eben ein Segel im Westen gesichtet, wahrscheinlich ein Däne oder ein anderer glücklicher Neutraler. Ich habe der
Relentless
befohlen, näher heranzugehen und ihn zu erkunden.«
    Herrick beobachtete Bolithos zerquältes Gesicht. Er schwitzte stark, und die schwarze Haarlocke, die gewöhnlich die schreckliche Narbe auf seiner Stirn verdeckte, klebte an der Seite. Herrick betrachtete die Narbe. Auch das mußte knapp gewesen sein. Aber Bolitho war damals ein junger Leutnant gewesen, jünger noch als Pascoe heute oder der unglückliche Leutnant Courtenay.
    Plötzlich bemerkte er, daß Bolitho die Augen geöffnet hatte. Sie waren fast das einzig Lebendige an dem ganzen Mann.
    »Ein Segel, sagen Sie?«
    Herrick antwortete sehr bedachtsam: »Aye. Wahrscheinlich nichts von Bedeutung.«
    »Wir müssen dem Admiral Meldung machen, Thomas.« Das Sprechen bereitete ihm offenbar Schmerzen. »Melden Sie ihm alles über Ropars und den großen Transporter. Sobald wir eine Aufklärungsfregatte der Flotte sichten, müssen Sie…«
    Herrick beugte sich über die Koje. Er spürte die Verzweiflung des Freundes, und wie er litt. »Keine Sorge, ich werde mich um alles kümmern.«
    Bolitho machte einen Versuch, ihm zuzulächeln. »Ich bin wie in der Hölle, Thomas. Zeitweise brenne ich, aber manchmal fühle ich überhaupt nichts.«
    Herrick wischte Bolithos Gesicht und Nacken mit einem Tuch ab.
    »Ruhen Sie sich jetzt aus.«
    Bolitho ergriff sein Handgelenk. »Ausruhen? Sehen Sie sich doch selber an. Sie sehen schlechter aus als ich.« Er hustete und stöhnte danach, weil die Bewegung ihm Schmerzen bereitete. Dann fragte er: »Was macht das Schiff? Wie viele Leute haben wir verloren?«
    »Dreißig Tote, Sir, und vier weitere werden ihnen wohl folgen, fürchte ich. Im gesamten Geschwader hatten wir rund einhundert Tote und Schwerverwundete.«
    »Zu viele, Thomas.« Er sprach jetzt ganz ruhig. »Wo ist Adam?«
    »Ich habe ihn zum Dienst geschickt. Er grübelt sonst zu viel.« Herrick bemerkte erstaunt, daß Bolitho sich ein Lächeln abrang.
    »Gut, daß Sie daran gedacht haben.«
    »Es war die Idee des Schiffsarztes, um ehrlich zu sein.«
    »Der?« Bolitho versuchte, den Arm zu bewegen. »Er kommt mir vor wie der Sensenmann. Immer in Wartestellung.«
    »Aber ein besserer Arzt als mancher andere, Sir.« Herrick stand auf.
    »Ich muß jetzt nach oben gehen und mich um den Neuankömmling kümmern. Ich komme bald zurück.«
    In einer Gefühlsaufwallung berührte er Bolithos Schulter, aber der war schon wieder ins Dösen zurückgesunken. Sehr vorsichtig zog Herrick die Decke herunter und legte nach einem Augenblick des Zauderns die Hand auf Loveys’ sorgfältig angebrachten Kräuterumschlag. Er zog sie schnell wieder zurück und verließ die Kammer. Selbst durch den Verband hindurch hatte sich Bolithos Schenkel angefühlt wie Feuer, als ob sein Körper sich von innen verzehre. Allday bemerkte seinen Gesichtsausdruck. »Soll ich zu ihm gehen, Sir?«
    »Lassen Sie ihn schlafen.« Herrick sah ihn traurig an. »Er hat ganz klar mit mir gesprochen, aber…« Er beendete den Satz nicht, sondern ging schnurstracks hinaus.
    Im trüben Licht des Vormittags bemerkte er, daß die Offiziere, die auf dem Achterdeck über das fremde Segel diskutierten, seinen Blick mieden. Er hörte Wolfe sagen: »Ich verstehe, was Sie empfinden, Mr. Pascoe, aber Dienst ist Dienst. Ich bin zu knapp an Leuten, wenn auch Sie sich noch von Ihrer Division fernhalten.«
    Wolfe machte eine flüchtige Ehrenbezeigung zu Herrick und meldete: »Erledigt, Sir. Besser, er hört es von mir. Mich kann er in die Hölle wünschen, so viel er will, vorausgesetzt, er macht seine Arbeit.«
    Midshipman Lyb rief: »Signal von
Lookout,
Sir. Das andere Schiff ist…« Er reckte sich, um über den Arm eines anderen Kadetten in die Liste der Schiffsnummern blicken zu können. »Es ist die Brigg
Marguerit
, Sir.«
    Wolfe atmete erleichtert auf. »Mit Neuigkeiten, hoffentlich.« Dann warf er Lyb einen scharfen Blick zu und donnerte: »Himmel und Hölle, Sir! Beantworten Sie das Signal der
Lookout,
wenn’s recht ist!«
    Herrick wandte sich ab. Man hatte es leichter, wenn man so war wie Wolfe: innerlich unberührt und dadurch nicht so

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