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Galeeren in der Ostsee

Galeeren in der Ostsee

Titel: Galeeren in der Ostsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Herrick entnahm daraus, daß Speke ihn schon informiert hatte. Wahrscheinlich wußte das ganze Schiff Bescheid.
    »Mr. Pascoe ist zu den ›Grapes‹ unterwegs, Major. Sagt Ihnen das etwas?«
    Clinton nickte. »Eine Menge, Sir.« Er fuhr fort: »Wenn Sie erlauben, gehe ich sofort an Land. Ich nehme Mr. Marston und einige me iner Jungs mit.«
    »Vielen Dank, Major Clinton, ich bin Ihnen sehr verbunden.« Augenblicke später hörte Herrick Pfiffe und Kommandorufe und anschließend das Knarren von Taljen, als ein Boot ausgeschwenkt wurde. Dann Getrappel von Stiefeln, als einige ausgesuchte Seesoldaten Clintons unerwarteter Aufforderung folgten.
    Herrick beobachtete den schnüffelnden Midshipman einige Sekunden lang und sagte dann: »Ich habe Sie auf Bitten eines alten Freundes an Bord genommen. Ich weiß nicht, wie er oder gar Ihre Mutter diese Geschichte aufnehmen werden. Nun begeben Sie sich nach unten, und melden Sie sich beim ältesten Wachtmeistersmaaten.«
    Als Penels tränenblind nach der Tür tastete, sagte Herrick sehr ruhig: »Wenn Sie in Ihrer Koje liegen, denken Sie einmal über folgendes nach: Eines Tages hätten Sie Leute unter sich gehabt, deren Leben von Ihrer Entscheidung abhing. Fragen Sie sich selber, ob das richtig wäre.«
    Yovell kam herein, als der Midshipman verschwand. »Schlimm, Sir.«
    Herrick blickte auf die runden Schriftzüge nieder und den Platz, wo er unterschreiben sollte.
    »Ich mö chte meiner Frau eine Nachricht schicken, denn ich glaube kaum, daß ich heute an Land gehen kann.«
    Er lauschte auf die Geräusche des Bootes, aber es hatte schon von der
Benbow
abgelegt.
    Pascoe schritt durch die so- und sovielte Gasse. Ein steifer Wind blähte seinen Bootsumhang. Er kannte Portsmouth nicht besonders gut, aber der Offizier der Hafenwache hatte ihm erklärt, wo das Lokal › The Grapes‹ lag. Er hatte ihm außerdem geraten, diesem Höllenloch besser fernzubleiben. Pascoe hatte ihm gesagt, daß er sich mit einer Abteilung bewaffneter Seesoldaten in der Nähe des Lokals treffen wolle und hoffte, ein paar Rekruten einzufangen. Er war selber überrascht gewesen, wie leicht ihm die Lüge über die Lippen kam. Der Offizier der Wache schien auch nicht weiter interessiert zu sein. Wer töricht genug war anzunehmen, daß er in Portsmouth noch Leute pressen konnte, mußte schon mehr als ein Riesenglück haben.
    Eine Gasse sah aus wie die andere: eng, schmutzig, aber nie ohne Leben. In Durchgängen und unter Torbögen, aus Fenstern oder unsichtbar hörte man vielerlei Geräusche, Gelächter von Betrunkenen, Schreie und schreckliche Flüche. Als ob die elenden Häuser und nicht die Bewohner ihrem Herzen Luft machten.
    Einmal streckte ein Mädchen den Arm aus und berührte Pascoes Schulter, als er vorbeiging. Selbst in dem Halbdunkel konnte er erkennen, daß sie nicht älter als vierzehn oder fünfzehn war. Pascoe stieß sie weg und hörte darauf ihre schrille Stimme, die ihn noch um die nächste Ecke verfolgte. »Verdammter Mistkerl! Hoffentlich schießen sie dir die Gedärme aus deinem dreckigen Leib!«
    Auf einmal war er am Ziel: ein wuchtiges, düsteres Gebäude, beidseits von kleineren Häusern flankiert, die Straße davor voller Dreck und wie eine Kloake stinkend.
    Pascoe war von zu Hause Armut gewöhnt, und auch als Midshipman hatte er genug Not und Elend erlebt. Aber dieser widerliche Unrat mußte nicht sein und war abscheulich, dachte er. Er schaute zu einem halb abgeblätterten Schild über dem Haupteingang empor und fühlte dabei, wie der Regen auf sein Gesicht prasselte: ›The Grapes.‹ Er lockerte seinen Marinedolch unter dem Umhang und pochte dann mit der Faust an die Tür. Eine Klappe öffnete sich so schnell, daß es schien, der Mann dahinter habe auf ihn gewartet.
    »Wer ist da?« Zwei weiße Augäpfel blickten suchend über Pascoes Schultern und senkten sich erst, als sie dahinter weder bewaffnete Seeleute noch Seesoldaten entdeckten. »Ein junger Herr und allein?«
    Schon der näselnde Tonfall des Mannes verursachte Pascoe Übelkeit.
    »Sie sind wohl stumm, he? Na schön, wir werden schon was Passendes für Sie finden.«
    Die Klappe wurde zugeschlagen, aber Sekunden später öffnete sich die große Tür, und Pascoe trat ein. Es war, als würde er hineingezogen und erstickt.
    Früher mußte es ein schönes Haus gewesen sein, dachte er. Eine breite Treppe, jetzt brüchig und verstaubt, führte nach oben. Überall Teppiche, die einmal dick und farbenprächtig gewesen sein mochten,

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