Galgenberg: Thriller (German Edition)
sprintete Riedwaan in den strömenden Regen.Vor ihm, jenseits einer Freifläche von vierzig Metern, stand ein Schuppen. Dahinter der Busch, dunkel und feucht wie ein Mutterleib. Riedwaan wollte sich für sein Leben gern darin verkriechen, aber zuvor musste er über freies Feld.
Die Kugeln pfiffen in der lebensspendenden Dunkelheit an Riedwaan vorbei. Noch eine Waffe, die wild in die Gegend feuerte. Riedwaan schaffte es bis zu den Bäumen, rannte weiter. Inzwischen waren sie bestimmt alle aus dem Haus gekommen. Und suchten nach ihm.
Denk nach.
Sein Geist reagierte nicht.
Der Busch lockte ihn, versprach ihm Schutz.
Mach schon.
Wer ihm auch folgte, kannte das Terrain besser als er. Er drehte sich um. Das Haus ragte im Regen auf. Riedwaan presste sich an die Seitenwand des Schuppens.
Zwei Männer liefen auf eine Lücke im Busch zu. Riedwaan wartete ab, ob sie dabei auf seine Spuren stießen, aber die hatte der peitschende Regen schon wieder ausgelöscht. Dann jagte er los, im Zickzack über den Rasen auf die Bäume entlang der Zufahrt zu. Die Männer waren verschwunden, wenigstens vorerst, und Riedwaan raste zu seinem Auto. Er stieg ein, schaltete die Zündung ein, löste die Bremse und ließ den Wagen den Feldweg hinunterrollen. Nur ein paar Kilometer bis zur Straße. Riedwaan spürte eine Bewegung zu seiner Rechten und duckte sich, gerade als die Kugeln die hintere Seitenscheibe durchschlugen. Er schaltete den Motor ein, hielt auf das Gatter zu und brauste einfach hindurch. In wenigen Minuten wären sie ihm auf den Fersen.
Die Straße lag verlassen im Dunkeln.
Du Randt war seine einzige Hoffnung. Er wohnte auf der Nachbarfarm.
Lichter blitzten auf einer Hügelkuppe auf, hielten auf ihn zu.
Er hatte keine andere Wahl. Er bog von der Straße ab und fuhr einen kleinen Feldweg hinauf. Links von ihm lag dichter Busch. Er suchte nach einer Lücke und parkte den Wagen im Dickicht. In der Ferne hörte er einen Motor heulen, sie waren ihm auf den Fersen. Er betastete seine Tasche, spürte Ritas iPod darin und hetzte zu Fuß den Hügel hinauf.An der Hintertür brannte eine einsame Lampe.
Riedwaan war ausgekühlt und durchnässt und hungrig, aber am Leben. Dann holte ihn ein Schuss von den Füßen.
35
Zwei Verkehrspolizisten beugten sich über sie.
»Lady.« Einer legte die Hand auf ihren Rücken.
Sie war blutüberströmt, aber sie atmete. Der Polizist wischte ihr den Dreck aus dem Gesicht. Sie schlug die Augen auf.
»Ma’am«, sagte er. »Können Sie mich hören?«
»Nicht so laut«, murmelte Clare. »Mir dröhnt der Schädel.«
»Sie sind am Leben.«
Sie bewegte die Finger.
»Offenbar.« Sie versuchte zu lächeln. »Die funktionieren wenigstens noch.«
»Bleiben Sie liegen«, sagte er. »Die Sanitäter sind gleich da.«
Clare streckte die Arme aus.
»Die funktionieren auch noch.«
»Bitte, Ma’am, tun Sie, was ich sage.«
»Dieses Schwein wollte mich umbringen.« Sie bemühte sich, sich aufzusetzen.
»Bitte«, flehte er. »Warten Sie auf die Sanitäter. Sie müssen sich untersuchen lassen.«
»Es geht schon. Immerhin bin ich am Leben. Helfen Sie mir auf.«
»Was ist denn passiert?« Der Polizist gab auf und zog sie auf die Füße.
»Er hat auf mich gewartet«, sagte sie. »Ich habe nicht ins Auto geschaut, bevor ich eingestiegen bin. Das war dumm.«
»Das ist nicht Ihre Schuld«, tröstete er sie. Er sah aus wie gerade achtzehn.
»Er hat mir ein Messer an die Kehle gesetzt«, fuhr sie fort.
»Hat mich gezwungen, loszufahren und hier von der Straße abzubiegen.«
Der Polizist nahm sie in den Arm. »Was für eine Schande, Mann. Und was passierte dann, Lady?«
»Er sagte, ich soll hier abbiegen, ich sah, dass wir in den Busch fahren würden, darum zog ich das Lenkrad mit einem Ruck nach links und ließ mich aus dem Auto fallen. Ich dachte, wenn er mich hierher verschleppt und mich hier liegen lässt, wer soll dann meine Leiche finden?«
»So was dürfen Sie gar nicht denken.«
»Haben Sie ihn gefunden?«, fragte Clare.
»Wir haben Sie gefunden. Gleich kommt ein Krankenwagen.«
»Helfen Sie mir zurück ins Licht, und rufen Sie die Spurensicherung an.«
Sie kletterten die Böschung hinauf und waren eben oben angekommen, als der Krankenwagen eintraf. Ein Stück vor ihnen blinkten Blaulichter am Straßenrand und beleuchteten eine größer werdende Menge von Gaffern. Die Polizei. Dahinter ein Labyrinth von Hütten und improvisierten Behausungen, die auf jedem verfügbaren Stück Boden
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