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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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in die Runde und wandte sich dann wieder an Monk. »Wir werden ihn kriegen, Sir.« Auch das war ein Schwur.
    Zustimmendes Gemurmel erhob sich. Keine Stimme meldete Widerspruch an oder klang irgendwie halbherzig. Plötzlich durchflutete Monk unendliche Erleichterung, als wäre ihm ein Segen erteilt worden, den er nicht erwartet oder verdient hatte. Er wandte sich ab, bevor sie ihn lächeln sehen konnten und am Ende seine Freude und Dankbarkeit missverstanden.
     
    Der Fall Phillips bereitete Oliver Rathbone zunehmend Unbehagen. Er drängte sich sogar zu Zeiten in seine Gedanken, zu denen er eigentlich erwartet hätte, am glücklichsten zu sein. Margaret hatte ihn schon gefragt, was es denn war, das ihn so belastete, doch er konnte ihr keine Antwort darauf geben. Ausflüchte wären unwürdig, und sie war klug genug, um dergleichen zu durchschauen. Zu lügen kam gar nicht erst infrage. Damit würde eine Tür zwischen ihnen geschlossen, die sich vielleicht nie wieder öffnen ließe, wenn Schuldgefühle erst einen unverrückbaren Riegel bildeten.
    Gleichwohl musste er gerade jetzt, da er mit Margaret in der stillen Behaglichkeit seines Wohnzimmers saß und sich wünschte, er könnte freimütig mit ihr sprechen, an ein Beisammensein mit ihr vor höchstens ein, zwei Monaten denken, das er unendlich genossen hatte. Er hatte noch vor Augen, wie sie dalag und lächelte. Wie glücklich sie war. Und ihr Lachen über irgendeinen Witz konnte er auch noch hören. Sie hatte ein Faible für subtilen Humor und verstand die Pointe immer sofort. Selbst ihre langen Diskussionen über Fragen, in denen sie verschiedener Meinung waren, waren gespickt mit Feinheiten und in höchstem Maß anregend. Margaret hatte ein bestechendes Gespür für Logik und war überraschend belesen. Und das galt auch für Themen, bei denen er ihr keine Kenntnisse zugetraut hätte.
    Er saß ihr in tiefem Schweigen gegenüber. Zwischen ihnen türmte sich eine Barriere auf, die so gewaltig war, dass er sich vor jedem Gespräch fürchtete, denn es barg die Gefahr, dass es sich zu nahe zur Aufrichtigkeit hinbewegte und von dem Mahlstrom erfasst wurde, der seit dem Fall Phillips und dem Zerwürfnis mit Hester und Monk einen gewaltigen Sog ausübte und so vieles zu berühren schien. Es war wie bei einem Tropfen Tinte in einem Glas klaren Wassers: Er breitete sich aus und verschmutzte alles.
    Es tat weh, im selben Zimmer zu sitzen und nicht miteinander zu reden. Das war nicht das Schweigen von Gefährten, die nicht auf Worte angewiesen sind, sondern die Stille zwischen zwei Menschen, die nicht zu sprechen wagen, weil das Gelände zwischen ihnen zu gefährlich ist.
    Sein Verhalten war feige. Er musste über seinen Schatten springen, sonst würde er nach und nach alles verlieren, was ihm am kostbarsten war. Es würde ihm entgleiten, Zentimeter um Zentimeter, bis zu wenig übrig war, um sich daran festzuhalten. Wovor hatte er eigentlich Angst? Dass er Hesters und Monks Respekt eingebüßt hatte? Dass er ihre Freundschaft verloren hatte und damit alles, was sie ihm an Leidenschaft und Lebenslust vermittelt hatte, wenn es galt, Prozesse gemeinsam durchzustehen, und zwar nicht um des bloßen Gewinnens willen, sondern weil es um Fragen ging, die wirklich zählten? Ein Kreuzzug, der seinem Beruf einen Wert verlieh. Geld und Ruhm waren Nebensachen. Selbst die Bewunderung seiner Kollegen war nur angenehmes Beiwerk und keinesfalls der hart erkämpfte Preis.
    Sie hatten nach der Wahrheit gestrebt, bisweilen mit hohem Einsatz und unter Gefahren für sich selbst; dabei hatten sie Angst, Enttäuschung, Erschöpfung und auch die scheinbare Gewissheit des Scheiterns überwunden. Und immer war der Sieg überraschend süß gewesen. Selbst wenn er mit Tragik verbunden war, was sich manchmal nicht vermeiden ließ, bedeutete er eine Ehre, die ihnen nichts und niemand wegnehmen konnte.
    Bei Phillips hatte er allein gewonnen, und dieser Sieg war bitter. Er war von vollendeter Raffinesse, doch jetzt wusste Rathbone, dass er nicht klug gewesen war. Philipps war schuldig, wahrscheinlich auch des Mordes an Fig, aber mit Sicherheit des widerwärtigen Missbrauchs vieler Kinder. Schuldig auch, wie Rathbone allmählich den Verdacht hatte, der Erpressung und Korrumpierung von Männern, die möglicherweise hohe Stellen innehatten, von wo aus sie das feine Gewebe der gesamten Londoner Justiz beflecken konnten und würden.
    Arthur Ballinger hatte ihm das Geld überreicht, aber von wem stammte es in

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