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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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schwer, diesen Männern ohne Umstände zu vertrauen. Er hasste es, sich so angreifbar zu machen. Er sah in die abwartenden Gesichter der Männer vor ihm. Er musste sich einfach auf sie verlassen, sonst verlor er ihren Respekt und die einzige Chance, die er hatte, sie zu führen. Er gab sich einen Ruck.
    »Dieser Mann hat mich aufgefordert, den Fall Jericho Phillips auf sich beruhen zu lassen. Tue ich das nicht, wird Phillips dafür sorgen, dass jemand mich beschuldigt, kleine Jungen zu ihm auf sein Boot gebracht zu haben, damit er sie an seine Kunden vermieten und Fotografien von obszönen und illegalen Akten machen kann, um sie zur Unterhaltung bestimmter Männer zu verkaufen.« Er holte tief Luft und ließ sie langsam entweichen, um das Grauen aus seiner Stimme zu bannen. Es war ihm peinlich, dass ihm das nicht ganz gelang.
    »Er wird der Presse erklären, dass Kommandant Durban zunächst nicht sein Feind war, sondern vielmehr sein Partner, bis sie sich wegen der Aufteilung der Profite zerstritten. Ferner wird er behaupten, ich hätte mit dem Dienstantritt an Kommandant Durbans Stelle hier auch seine persönlichen gewerblichen Interessen an mich gerissen und den Jungen, den meine Frau und ich bei uns aufgenommen haben, ebenfalls für diese Zwecke vorgesehen.« So, nun hatte er sich seinen Männern ausgeliefert. Eigentlich hatte er nicht beabsichtigt, ihnen zu erzählen, dass Scuff bei ihm und Hester bleiben durfte. Doch ohne Überraschung zu empfinden, wurde ihm auf einmal klar, dass er Scuff wirklich bei sich im Haus haben wollte. Dass Hester diesbezüglich schon längst nicht mehr überlegte, wusste er ohnehin. Damit blieb nur noch die Frage, was Scuff davon halten würde, wenn – oder falls – die unmittelbare Gefahr vorüber war.
    Er ließ den Blick über die Gesichter seiner Männer schweifen. Was würde er erkennen? Belustigung, Abscheu, Enttäuschung, den inneren Kampf, ob sie ihm wirklich glauben sollten, Angst um den eigenen Posten?
    »Wir müssen ihn dingfest machen!«, fuhr er fort, wobei er es vermied, irgendjemandem in die Augen zu schauen. Er wollte keinen von ihnen persönlich fordern oder einschüchtern und vor allem nicht anbetteln. »Gelingt uns das nicht, wird er sein Möglichstes tun, um die Wasserpolizei als Ganzes zu vernichten. Wir sind die einzige Behörde, die sich dem ungestörten Ablauf seiner schmutzigen Geschäfte in den Weg stellt.« Sollte er ihnen auch noch vom Rest, von der noch größeren Gefahr berichten? Er hatte sich ihnen so weit anvertraut, dass jetzt wohl der Zeitpunkt gekommen war, alles auf eine Karte zu setzen. Er blickte Orme an, dessen Augen ernst und fest auf ihm ruhten.
    Kaum ein Geräusch war in dem Raum zu hören. Noch war es zu warm, um den großen schwarzen Kohleofen am anderen Ende aufzuheizen. Die Türen waren geschlossen, sodass die Geräusche des Flusses nur gedämpft hereindrangen.
    Er hob die Stimme und richtete die Augen auf seine Männer, einen nach dem anderen. »Diese Angelegenheit hat noch weit grö ßere Ausmaße als den Missbrauch von Jungen. Phillips’ Stammkunden sind wohlhabende Männer, sonst könnten sie sich seine Preise gar nicht leisten. Reiche Leute haben Einfluss und in der Regel Macht. Das bedeutet, er verfügt über grenzenlose Möglichkeiten, sie zu erpressen. Das können Sie sich ja selbst ausmalen: Hafenbehörden, Hafenmeister, Zollbeamte, Anwälte.« Er ballte die Hände. »Uns.«
    Keiner rührte sich.
    »Sie erkennen die Gefahr. Selbst wenn wir unschuldig sind, droht uns mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Anklage. Und wer von uns wäre nicht versucht, zu tun, wozu wir aufgefordert werden, nur damit diese Beschuldigungen nicht an die Öffentlichkeit gelangen? Von der bloßen Vorstellung kann einem schon schlecht werden. Was würden Ihre Frauen dann erdulden müssen? Ihre Eltern oder Kinder?«
    Er sah in ihren Gesichtern, dass sie begriffen, und auch die aufkeimende Angst. Auf den Zorn wartete er, aber der kam nicht. Nicht einmal zu spüren war er. »Es tut mir leid, dass ich mit meiner überstürzten Eile, Phillips zu überführen, das Gegenteil ermöglicht habe und er vom Vorwurf des Mordes an Figgis freigesprochen worden ist. Ich werde Phillips für etwas anderes kriegen.« Er sagte das sehr ruhig, und schon beim Sprechen war ihm klar, dass dies ein Versprechen war, an das er für alle Zeiten gebunden sein würde.
    »Jawohl, Sir«, sagte Orme, sobald er sicher war, dass Monk seinen Worten nichts mehr hinzufügen würde. Er blickte

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