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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Wahrheit, und welcher Preis war damit verbunden? Wer hatte es Ballinger gegeben, und warum hatte er eine solche Bürde angenommen? Das war die Frage, die ihn daran hinderte, mit Margaret zu sprechen, und der Grund, warum er in beklommenem Schweigen neben ihr hockte. Wusste sie das? Wollte sie deswegen nicht auf eine Antwort drängen? Wie gut kannte sie ihren Vater? Hielt sie ihn für ehrlich, oder schreckte sie vor der Wahrheit zurück, falls sie zu ungeheuerlich war?
    Und Mrs. Ballinger? Was wusste oder ahnte sie? Mit ziemlicher Sicherheit nichts. Aber möglicherweise lastete auch das auf Margaret. Wie konnte sie frei von solchen Sorgen sein? Wie würde ihre Mutter mit der Wahrheit umgehen, wenn sie hässlich war, ein Schandfleck, der ihr das ihr so kostbare gesellschaftliche und private Leben vergällen würde?
    Er blickte zu Margaret hinüber, die auf ihrem Stuhl saß und nähte, achtete dabei aber darauf, ihr nicht in die Augen zu schauen, sonst versuchte sie am Ende noch, seine Gedanken zu lesen. Aber so konnte er unmöglich weitermachen. Die Kluft zwischen ihnen wuchs von Tag zu Tag. Schon jetzt konnten sie sich nicht mehr berühren. Eines Tages müssten sie einander rufen und würden sich doch nicht erreichen.
    Es gab keinen anderen Ausweg, als in Erfahrung zu bringen, wer Arthur Ballinger beauftragt hatte, ihn, Rathbone, als Phillips’ Verteidiger zu gewinnen. Nun, er hatte sich bereits direkt erkundigt und eine glatte Absage erhalten. Folglich mussten die Nachforschungen ohne Ballingers Wissen durchgeführt werden. Da Ballinger angedeutet hatte, es handle sich um einen Mandanten, musste in seiner Kanzlei eine offizielle Akte existieren. Und die Zahlung war wahrscheinlich in den Büchern vermerkt, denn es war die Kanzlei, die das Geld an Rathbone weitergeleitet hatte.
    Und da es sich um einen Mandanten handelte und Geld im Spiel war, war der Vorgang mit Sicherheit von Cribb, Ballingers gewissenhaftem Sekretär, bearbeitet worden. Die Akte war vermutlich ungefähr in der Zeit angelegt worden, als Ballinger Rathbone zum ersten Mal auf den Prozess angesprochen hatte, und bis zu Phillips’ Freispruch weitergeführt worden.Wenn Rathbone eine Mandantenliste für diesen Zeitraum finden konnte, würden sich schnell die Personen ausschließen lassen, die wegen einer anderen, jetzt abgeschlossenen und der Öffentlichkeit bekannten Angelegenheit vor Gericht gestanden hatten, und natürlich auch diejenigen, bei welchen die Klage noch anhängig war und es demnächst zur Verhandlung kommen würde.
    Dass er zu Ballinger in die Kanzlei spazierte und um Einsicht in seine Bücher bat, war ausgeschlossen. Er würde nur mit einer kategorischen Weigerung abgespeist werden und äußerst unliebsame Fragen provozieren. Die Beziehung zu seinem Schwiegervater wäre dann praktisch gestorben, und Margaret stünde zwischen ihnen. Sie würde wissen, dass Rathbone ihren Vater unmoralischer Machenschaften verdächtigte, von denen die harmloseste der Schutz von Phillips aus unredlichen Gründen wäre. Und die schlimmste wollte er sich nicht vorstellen.
    Andererseits wäre es verwegen, ja gefährlich, jemanden dafür zu bezahlen, ihm die Informationen zu besorgen, selbst wenn sich eine Person finden ließe, die sowohl das erforderliche Geschick hatte als auch genau begriff, worauf es ihm ankam. Die Versuchung, ihn später zu erpressen, wäre fast unwiderstehlich, ganz zu schweigen von den Aussichten, das Wissen anderweitig zu verkaufen, womöglich sogar an Philipps.
    Es gab nur eine Lösung: Rathbone musste sich einen Weg einfallen lassen, es selbst zu erledigen. Bei der bloßen Vorstellung fühlte er sich erbärmlich und geriet erneut ins Zweifeln. Aber wenig verachtete er mehr als Wankelmut. Schließlich rettete ihn der Gedanke, dass er im Grunde keine Ahnung hatte, wer es sein könnte, den Phillips wegen seiner Vorliebe für seine Form der Abendunterhaltung erpresste.Wer waren die Opfer solcher Gelüste, wie er sie befriedigte, und wer konnte nach Phillips’ Belieben manipuliert werden? Es konnte jeder der Männer sein, die Rathbone bisher als seine Freunde betrachtet hatte, als Männer von Ehre und Geist.
    Und dann drängte sich ein noch schmerzhafterer Gedanke in seine Überlegungen: Wenn die Leute über Phillips und sein Gewerbe Bescheid wussten, konnten sie dasselbe über ihn, Rathbone, annehmen! Warum auch nicht? Er war derjenige, der ihn verteidigt und seine Freilassung erwirkt hatte, wenn auch um den Preis seiner bis dahin

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