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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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hätte sich jeder einzelne Muskel in seinem Körper verkrampft. »Sagen Sie mir alles, Monk. Lassen Sie mich nicht ohne Verteidigung in die nächste Unterredung mit diesem Dreckskerl gehen. Was haben Sie über Durban herausgefunden? Wir können es uns nicht leisten, irgendwen zu schonen, weder Lebende noch Tote, zumindest im Gespräch untereinander. Ich werde es ihm nicht verraten, aber ich muss darüber Bescheid wissen, sonst kann ich keinen von uns verteidigen.«
    Monk überlegte. Von seiner Entscheidung würde das Schicksal seiner Männer abhängen, für die er die Verantwortung trug. Und um ihrer Zukunft willen war er darauf angewiesen, Farnham zu vertrauen. »Er hat bezüglich seiner Familie gelogen, Sir«, begann er. »Gab an, sein Vater wäre Schulmeister in Essex gewesen. Tatsächlich wusste er wahrscheinlich nicht einmal, wer sein Vater war. Seine Mutter starb bei seiner Geburt in einem Findelhaus. Dort wuchs er dann als Waise auf. Mit acht Jahren wurde er auf die Straße gesetzt, um sich selbst durchzuschlagen. Das ist der Grund, warum er solches Mitleid für Mudlarks , für Kinder überhaupt, für allein lebende Frauen, für die Hungernden, die Verängstigten und die Missbrauchten empfand. Er fühlte sich ihnen zugehörig. Er hatte ihr Schicksal am eigenen Leib kennengelernt.«
    »O Gott!« Farnham raufte sich sein spärliches Haar. »Irgendein Verbrechen, das ihm nachgewiesen wurde? Und sagen Sie mir die Wahrheit, Monk! Wenn ich bei der geringsten Lüge ertappt werde, wird man mir nie wieder glauben.«
    »Davon ist nichts bekannt, Sir«, antwortete Monk widerstrebend. »Aber Freunde von ihm haben einmal eine Bank ausgeraubt. Schlechter Umgang. Wenn man auf der Straße aufwächst, ist so etwas unvermeidlich. Unmittelbar danach ging er zur Wasserpolizei.«
    »Gott sei Dank. Wer ist nun diese Mary Webber, die er mit solcher Besessenheit suchte? Eine Flamme aus seiner Kindheit? Eine Ehefrau? Was?«
    »Die Schwester, Sir. Seine ältere Schwester. Wurde adoptiert, aber die Familie konnte nur sie aufnehmen, weil die Frau verkrüppelt war und nicht auch noch ein Baby versorgen konnte. Darum blieb er im Heim zurück. Mary sparte alle Pennys zusammen, die ihr übrig blieben, und schickte sie ihm. Die Verbindung riss ab, als sie heiratete und herausfand, dass ihr Mann ein Dieb war. Aus Scham wollte sie nicht, dass Durban es erfuhr. Den Namen Durban gab ihm das Findelhaus übrigens nach einem seiner Stifter, der zufällig aus Südafrika stammte. Sie selbst änderte ihren Namen natürlich bei der Hochzeit und später noch einmal, als die Gläubiger ihres Mannes sie verfolgten.«
    »Wo ist sie jetzt?«
    »Ich weiß es, aber es ist irrelevant, Sir. Fürs Erste ist sie in Sicherheit.«
    Farnham stieß einen harmloseren Fluch aus, dann klopfte er Monk auf die Schulter. »Ich entschuldige mich bei Ihnen, Monk. Sie haben hervorragende Arbeit geleistet. Hoffentlich wird außer mir niemand sonst die volle Wahrheit erfahren müssen. Ich werde dem Zeitungsmann einen Floh ins Ohr setzen, der ihn möglichst lange beschäftigen und von uns ablenken wird.Wenn er mit Ihnen sprechen will, sagen Sie ihm, dass Ihnen unter Androhung des Verlusts Ihrer Stelle Schweigen befohlen wurde. Haben Sie verstanden?«
    »Jawohl, Sir. Danke.«
    »Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
    »Jawohl, Sir.«
    Monk informierte Orme kurz über das Gespräch mit Farnham, dann machte er sich auf den Weg zum Polizeiboot, das am Kai auf ihn wartete. Er hatte die Steinstufen noch nicht erreicht, als sich ihm ein Mann näherte. Dieser wirkte bis auf einen leicht schlurfenden Gang völlig unauffällig, sodass selbst eine genaue Beschreibung auf viele andere Männer zugetroffen hätte. Bekleidet war er mit einer alten Seemannsjacke, die formlos an ihm herabhing und seine Figur verbarg, und auf seinem Kopf saß ein Hut, der seine Haare verdeckte. Die Augen kniff er gegen das vom Wasser widergespiegelte grelle Licht zusammen.
    »Kommandant Monk?«, fragte er höflich.
    Monk blieb stehen. »Ja?«
    »Hab’ne Nachricht für Sie, Sir.«
    »Von wem?«
    »Hat mir sonst nix gesagt, Sir. Meinte, dass Sie’s schon wissen würden.« Die Stimme des Mannes nahm einen unschuldigen Tonfall an, doch sein Gebaren, vor allem die in Falten gezogene Stirn, hatte etwas Höhnisches.
    »Wie lautet die Nachricht?«, fragte Monk, nur um sich sogleich zu wünschen, er hätte sich geweigert zuzuhören. »Nein, das ist gleichgültig. Wenn Sie mir nicht sagen können, von wem sie stammt, ist

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