Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
geheimnisvoller Mandant sein konnte, der ihn für Phillips’ Verteidigung bezahlt hatte.
    Die meisten Fälle waren belanglos und ließen sich leicht als Routineangelegenheiten abtun. Häufig handelte es sich um Landbesitzstreitigkeiten, Nachlassfragen und Auseinandersetzungen um Grundstücke. Gelegentlich waren auch außergerichtliche Einigungen dabei, wenn es sich um den Vorwurf der Inkompetenz oder um Amtsvergehen handelte. Die Namen derer, denen ein inzwischen abgeschlossener Strafprozess gemacht worden war, konnte er ebenfalls streichen.Wie es mit ihnen weiterging, stand fest und wurde von den öffentlichen Behörden gehandhabt. Moralischer Verfall, der zur Tragödie geführt hatte – nichts Außergewöhnliches.
    Am Ende blieben drei Männer übrig, die als Phillips’ Wohltäter oder Opfer infrage kamen: Sir Arnold Baldwin, Mr. Malcolm Cassidy und Richter Sullivan. Es war der letzte Name, bei dem Rathbone das Blut in den Adern gefror und seine Hände sich unwillkürlich um das Papier krallten. Das war doch lächerlich! Richter Sullivan musste sich einen Anwalt nehmen wie jeder andere Bürger auch. Mit Sicherheit war er Grundeigentümer und hatte neben einem Haus in London einen Wohnsitz auf dem Land. Grundbesitz erforderte Geld, eine Übertragungsurkunde und brachte nicht selten Rechtsstreitigkeiten mit sich. Und natürlich kamen auch Testamente, Erbfragen und eigentumsrechtliche Anfechtungen ins Spiel.
    Rathbones unmittelbare Aufgabe war es jetzt, mehr über die Herren auf seiner Liste in Erfahrung zu bringen und, falls nötig, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Allerdings hatte er noch keine Vorstellung davon, wie er ermitteln sollte, welcher von ihnen der Betreffende war. Welchen Eindruck machte ein Mann, der ein Getriebener seiner Begierden war? War er verängstigt, von Schuldgefühlen geplagt, zwanghaft wie ein krankhafter Spieler oder Trinker? Oder wirkte er äußerlich wie alle anderen, und der dunklere Teil seiner Natur drängte nur dann nach oben, wenn er es sich gestattete, klammheimlich in der Nacht am Fluss?
    Diese Fragen stellten sich noch deutlicher, als er Treffen mit Cassidy und Baldwin vereinbart hatte. Mit Ersterem sprach er bei einem Mittagessen, mit Letzterem in einem exklusiven Club, in dem sie beide Mitglieder waren. An keinem fiel ihm etwas Zwielichtiges auf, ja, eigentlich war es nur sein Verdacht, an dem ihn Zweifel erfassten.
    Eine Begegnung mit Sullivan in die Wege zu leiten erwies sich als schwieriger, und ausgerechnet hier beschlich ihn zunehmend ein Gefühl, dass es gerade auf diese Verabredung ankam. Dass Sullivan zudem der Vorsitzende Richter im Prozess gegen Phillips gewesen war, machte die Situation nur noch verworrener. Rathbone sah sich in einer grässlichen Lage und hatte ein flaues Gefühl in der Magengrube.
    Allein schon die Tatsache, dass er sich eine Einladung zu einem Empfang erschleichen musste, auf dessen Gästeliste er nicht stand, war ihm höchst peinlich. Und ihm war schmerzhaft bewusst, dass der Bekannte, der ihn dort mit einem Trick einschleuste, natürlich vermutete, er wolle sich auf diese Art um seiner Karriere willen lieb Kind machen, was unschicklich war und was er schon lange nicht mehr nötig hatte. Wenn er dieses Missverständnis auf sich beruhen ließ, dann nur deshalb, weil ihm die Alternative noch peinlicher gewesen wäre.
    Natürlich fiel es ihm auch nicht leicht, Margaret zu fragen, ob sie mitkommen wollte. Sie wiederum würde noch viel größere Schwierigkeiten haben, abzulehnen und dafür einen Grund zu nennen, der nicht deutlich erkennbar nach Ausflüchten klang.
    »Das tut mir leid, meine Liebe«, murmelte er, während er seine Manschettenknöpfe sortierte, um sich nicht Margarets Blick stellen zu müssen. »Mir ist klar, dass es nicht nett ist, zu erwarten, dass du deine Pläne für heute Abend so kurzfristig über den Haufen wirfst, aber die Gelegenheit hat sich erst heute ergeben, sonst hätte ich dich rechtzeitig informiert. Es sind Leute geladen, die ich sehr gerne treffen würde. Worum es dabei geht, kann ich dir leider nicht sagen, weil ein Fall im Spiel ist.« Er sah sie an. Die Worte waren ihm gerade erst eingefallen und klangen in seinen Ohren vollkommen vernünftig. Und mehr noch, sie entsprachen den Tatsachen, zumindest auf eine bestimmte Weise.
    »Selbstverständlich«, antwortete sie und versuchte, in seinen Augen die wahre Bedeutung zu lesen, von der sie wusste, dass sie hinter den Worten zu finden war.
    Er lächelte. »Ich würde den

Weitere Kostenlose Bücher