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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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uns nicht leisten, Rathbone.«
    »Da haben Sie recht«, bestätigte Rathbone in ungespieltem, feierlichem Ton. »Die Situation ist jetzt in der Tat äußerst ernst, ernster noch, als Monk das erfasst hat.«
    »Dann stimmen Sie mir also zu, dass die Wasserpolizei zerschlagen werden sollte?«
    Rathbone blickte ihn erstaunt an. »Nein, nein, ich dachte vielmehr an das heikle Problem der Erpressung.« Aufmerksam beobachtete er Sullivans Gesicht, und tatsächlich verriet ihm ein Zucken der im Schatten liegenden Augen, dass er einen wunden Punkt getroffen hatte.Wie tief dieser ging, musste er noch klären. Mit einem feinen Lächeln fügte er hinzu: »Um Phillips verteidigen zu können, musste ich die Beweismittel natürlich mit äußerster Sorgfalt studieren und ihn eingehend verhören.«
    »Natürlich«, stimmte ihm Sullivan mit merkwürdig starrem Gesicht zu. »Aber seien Sie bitte vorsichtig, Rathbone. Was immer er Ihnen als Ihr Mandant erzählt hat, steht nach wie vor unter dem Schutz der Vertraulichkeit, und zwar unabhängig davon, dass das Urteil inzwischen gefällt und er freigesprochen wurde. Ich bin jetzt nicht mehr der Richter, der mit diesem Fall befasst ist, und genieße keine Privilegien.«
    »Überhaupt keine«, bemerkte Rathbone trocken. »Aber ich hatte nicht vor, irgendwelche vertraulichen Dinge auszuplaudern, die über allgemein Bekanntes hinausreichen. Phillips hat ja nie geleugnet, dass er seinen Lebensunterhalt damit bestreitet, dass er die erbärmlichen und obszönen Vorlieben von Männern befriedigt, die das nötige Geld haben und es sich leisten können, ihre Fantasien auszuleben.«
    In Sullivans Gesicht spiegelten sich innere Zerrissenheit, Angst, Verachtung und auch ein Funke Erregung. »Mit diesen Ansichten muss es Sie enorme Selbstüberwindung gekostet haben, ihn zu verteidigen«, meinte er.
    Sie mochten noch Höflichkeit vortäuschen, aber das war reine Fassade, und das war ihnen beiden klar. Zwischen ihnen brodelte gegenseitige Abneigung, wenn nicht blanker Hass.
    »Von den Menschen, die ich verteidige, üben sehr viele Praktiken aus, die mich anwidern«, entgegnete Rathbone. »Und sicher haben auch Sie Prozesse geleitet, in welchen Sie sowohl das Verbrechen selbst als auch der Charakter des Angeklagten zutiefst abstießen. Aber das würde Sie nicht dazu veranlassen, den Fall abzugeben, sonst würden am Ende manche Prozesse nie stattfinden.«
    Sullivan deutete ein Schulterzucken an und drehte sich halb weg. »Mir sind die Schwierigkeiten bei der Ausübung von Recht und Gesetz bekannt«, erklärte er mit ausdrucksloser Miene. »Wird jemand der Erpressung beschuldigt? Oder sind Ihre Äu ßerungen lediglich theoretischer Natur?«
    Es bereitete Rathbone enorme Mühe, seinen Atem zu beruhigen. Sullivan war Richter. Rathbone hatte seine Informationen von Ballinger gestohlen, ein Vergehen, das nie ans Licht kommen durfte. Von seinem Schweigen hing nicht nur seine eigene weitere Existenz ab, sondern auch die von Cribb und möglicherweise Margaret. Doch er hatte noch nicht alles in Erfahrung gebracht. Und es galt, Wiedergutmachung zu leisten. Dazu musste er lügen.
    »Zu meinem Bedauern halte ich das für eine Tatsache, mindestens in einem Fall, möglicherweise sogar in mehreren. Phillips tut nichts, wenn damit kein Profit für ihn verbunden ist. Was die Vermittlung von Knaben zur Befriedigung der vorhin angesprochenen Gelüste betrifft, fährt er doppelten Profit ein, zunächst für die Befriedigung selbst, danach für sein Schweigen darüber, denn in einigen – wenn nicht allen – Fällen ist sie illegal. Mir scheint, dass diese Männer sich nicht beherrschen wollen oder können, auch dann nicht, wenn der Preis dafür furchterregend ist.«
    Bei diesen Worten wich alles Blut aus Sullivans Gesicht, und auf seinen Wangen blieben nur noch Flecken zurück, ohne dass seine Züge die geringste Regung verrieten.
    »Ich verstehe«, sagte der Richter mit leiser Stimme, kaum mehr als ein Flüstern.
    Rathbone nickte. »Dessen war ich mir sicher. Und da es sich hier offensichtlich um Männer handelt, die es sich leisten können, Phillips’ Schweigen zu kaufen, müssen das wohlhabende Männer sein, vermutlich sogar Männer von Macht und weitreichendem Einfluss. Wir haben keine Vorstellung davon, wer sie im Einzelnen sind.«
    »Sie brauchen das nicht für mich zu buchstabieren, Rathbone. Ich ahne, worauf Sie abzielen. Doch das ist, wie Sie sagen, eine sehr ernste Angelegenheit. Wenn Sie mit wilden und

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