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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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vollendete Claudine den Satz für sie. »Das ist möglich, aber ich glaube es eigentlich nicht. Um ehrlich zu sein, kommt sie mir eher besorgt vor. Meine Frage vorhin war nicht ganz aufrichtig, als ich meinte, ihr könnte etwas fehlen.«
    Hester gab sich erst gar nicht die Mühe, ihr Lächeln zu verbergen. »Wo Unaufrichtigkeit doch wirklich nicht Ihre Art ist. Warum holen Sie sich nicht eine Tasse? In der Kanne ist genug für uns beide.«
    Claudine ließ sich nicht zweimal bitten und kehrte gleich darauf mit einer zweiten Tasse für sich zurück, um sich Hester gegenüber am Tisch niederzulassen.
    Hester sprach in aller Offenheit mit ihr. »Dieser Jericho-Phillips-Fall hat uns entzweit. Natürlich ergreift Margaret für ihren Mann Partei, was wohl auch völlig richtig ist …«
    Claudine unterbrach sie. Sie wusste, dass Hester das womöglich als Unhöflichkeit auffasste, aber sie konnte einfach nicht länger schweigen. »Ich glaube nicht, dass Gott von einer Frau verlangt, dass sie ihrem Mann in die Hölle folgt, Mrs. Monk!«, erklärte sie mit Nachdruck. »Ich selbst habe Gehorsam versprochen, aber ich fürchte, diesen Schwur könnte ich nicht mehr einhalten, wenn er nicht mit meinem Gewissen vereinbar wäre.Vielleicht werde ich eines Tages dafür verdammt, aber ich bin nicht bereit, meine Seele zu opfern, damit irgendein anderer darüber bestimmt.«
    »Das habe ich auch nicht vor«, meinte Hester nachdenklich. »Aber sie ist frisch verheiratet, und ich glaube, sie liebt Sir Oliver sehr. Außerdem könnte sie durchaus davon überzeugt sein, dass er recht hat. Ich habe sie weder mit den Nachforschungen behelligt, die ich jetzt durchführe, noch mit all den entsetzlichen Dingen, auf die ich gestoßen bin, denn sonst hätte ich sie womöglich in eine Lage gedrängt, in der sie sich gegen ihn wenden müsste.«
    Claudine schwieg. Sie wartete darauf, dass Hester ihr erklärte, was sie meinte.
    Und tatsächlich informierte Hester sie in groben Umrissen über Phillips’ Gewerbe und die Macht, die er über seine Kunden hatte, einschließlich der Erpressung.
    Claudine reagierte angewidert, aber nicht übermäßig überrascht. Seit Jahren schon durchschaute sie die Masken der Ehrbarkeit. Was sie dabei entdeckt hatte, war in den meisten Fällen viel harmloser als das hier, aber vielleicht hatten ja alle großen Sünden als kleine Schwächen oder mit der ständigen Missachtung des Empfindens anderer begonnen?
    »Ich verstehe«, sagte sie leise und schenkte ihnen beiden nach. »Was können wir dagegen tun? Ich weigere mich zu akzeptieren, dass uns die Hände gebunden sind.«
    Hester lächelte. »Ich auch, aber ich muss gestehen, dass ich noch nicht weiß, wie unser nächster Schritt aussehen soll. Mein Mann kennt den Namen von mindestens einem der Erpressungsopfer, aber es festzunehmen nützt nicht viel. Wir brauchen den Kopf der Bande.«
    »Jericho Phillips«, warf Claudine ein.
    »Er steht im Zentrum, das ist sicher«, bestätigte Hester und nippte an ihrem Tee. »Aber ich habe in den letzten Tagen viel darüber nachgedacht und frage mich, ob er sein Unternehmen tatsächlich allein führt oder vielleicht nur ein Teil davon ist.«
    Claudine schnappte überrascht nach Luft.
    Hester beugte sich näher zu ihr. »Warum sollte einer der Erpressten Phillips auch noch die Verteidigung bezahlen, nur damit er ihn danach weiter terrorisieren kann?«
    »Weil er eben das pornografische Material verkauft, nach dem dieser erbärmliche Kerl süchtig ist«, antwortete Claudine, ohne zu zögern.
    Hester nickte. »Wie wahr. Aber als Phillips im Gefängnis war, muss jemand bei diesem Mann gewesen sein und ihn aufgefordert haben, Phillips’ Verteidigung zu finanzieren. Phillips selbst kann sich nicht an ihn gewandt haben, sonst wäre das Geheimnis des Unbekannten gelüftet und die Grundlage seiner Macht über ihn zerstört worden.«
    »Oh!« Claudine begriff die Zusammenhänge. »Der geheime Mann im Hintergrund ist jemand mit viel Macht, der sich aus persönlichen Gründen wünscht, dass Phillips ungeschoren davonkommt und weiterhin gute Geschäfte macht. Demnach ist anzunehmen, dass dieser Mann im Fall von Phillips’Verurteilung mehr zu verlieren als zu gewinnen hätte.«
    Hester schnitt eine Grimasse. »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen. Mir ist nur nicht klar, wie viel wir erreichen können, solange wir nicht wissen, wer dieser Unbekannte ist. Ich fürchte fast, es könnte jemand sein, der uns mühelos hereinlegt. Immerhin ist es

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