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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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unerklärliche Genugtuung bereitete. Eigentlich hätte er sich darüber ärgern müssen.
    »Und? Werden Sie ihn schnappen?«, blaffte sie.
    »Wenn ich das könnte, würde ich nich’ hier rumsitzen«, knurrte er. »Menschenskind, bringen Sie den Tee!«
    Sie rührte sich nicht von der Stelle. »Er hält kleine Jungen gefangen und lässt sie obszöne Handlungen vollführen, bei denen sie dann auch fotografiert werden. Ist es nicht so?«
    Er errötete vor Ärger, weil sie ihn in Verlegenheit gebracht hatte. Nicht ihm, ihr hätte das peinlich sein sollen! »Ja! Und Sie sollten über so was überhaupt nich’ Bescheid wissen!« Er beschuldigte sie regelrecht.
    »Eine Menge wird Ihnen das nützen, wenn ich ahnungslos bin«, hielt sie ihm in schneidendem Ton entgegen. »Er tut das wegen des Geldes, nehme ich an. Einen anderen Grund kann es ja nicht geben. Er verkauft diese Bilder, richtig?«
    »Natürlich verkauft er sie«, fuhr Squeaky sie an.
    »Wo?«
    »Was?«
    »Stellen Sie sich nicht so dumm, Mr. Robinson. Wo verkauft er sie? Kann ich denn noch deutlicher fragen?«
    »Keine Ahnung. Auf seinem Boot, über den Postweg – woher soll ich das wissen?«
    »Warum nicht auch in Geschäften?«, setzte sie nach. »Würde er sich nicht jedes Ortes bedienen, der ihm möglich erscheint? Wenn ich etwas hätte, das sich gut verkaufen ließe, würde ich es überall anbieten. Warum nicht auch er?«
    »Na gut. Er wird’s genauso machen. Ja und? Tut uns so oder so nix nützen.«
    Mit einiger Mühe verkniff sie sich eine Korrektur des Satzes. Sie wollte ihn nicht noch mehr gegen sich aufbringen.
    »Gibt es kein Gesetz gegen solche Dinge, wenn Kinder davon betroffen sind, Jungen?«
    »Natürlich gibt es eines.« Er musterte sie misstrauisch. »Aber wer wird es durchsetzen, hä? Sie? Ich? Die Polypen? Niemand, so ist das.«
    »Für mich steht noch nicht ganz fest, ob es wirklich niemanden gibt«, erwiderte sie sanft. »Sie werden vielleicht darüber staunen, was die gute Gesellschaft alles erreichen kann und wird, wenn sie sich bedroht fühlt, sei es finanziell oder – was noch wichtiger ist – in ihrer Behaglichkeit und Selbstachtung.«
    Squeaky starrte sie an. In seinen Augen regten sich Verblüffung und Begreifen.
    Claudine war sich nicht sicher, wie viel sie ihn tatsächlich wissen lassen wollte. Vielleicht sollte sie schleunigst das Thema wechseln und zusehen, dass sie alles von ihm erfuhr, was sie wissen musste. Das verwegene Vorhaben, das sie sich erst vage ausgemalt hatte, nahm in ihrem Geist immer deutlichere Konturen an.
    »Es gibt ein Gesetz dagegen?«, wiederholte sie in beschwörendem Ton.
    »Ja doch!«, fauchte Squeaky. »Aber es bewirkt nix. Begreifen Sie das denn nich’?«
    »Und ob ich das begreife!« Am liebsten hätte sie ihn angeschrien, doch das konnte sie sich nicht leisten, solange sie auf seine Hilfe – oder eine gewisse Mitarbeit – angewiesen war. »Die Bilder müssten also an Stellen verkauft werden, wo die Polizei sie nicht zu Gesicht bekommt.«
    »So isses!«, blaffte er entnervt.
    »Wo wäre das?«
    »Wo? Na, überall. In Hinterhöfen, in Läden, wo sie Hefte so tarnen, dass man sie für richtige Bücher halten könnte, Kassenbücher, Abhandlungen darüber, wie man Segel flickt, die Konten ordentlich führt und was weiß ich noch alles. Es gibt sogar welche, die man für Bibeln halten könnte, wenn man nich’ näher hinschaut. Tabakhändler verkaufen so was, Buchläden, Drucker, zig andere.«
    »Ich verstehe. Also äußerst schwer aufzuspüren. Danke.« Sie erhob sich abrupt und schickte sich an zu gehen, zögerte dann aber. »In den Gassen und Hinterhöfen am Fluss unten, ja?«
    »Ja. Oder sonst wo. Allerdings nur dort, wo Leute hingehen, die genau wissen, was sie wollen. In den Einkaufsstraßen oder Gegenden, wo man Leute wie Sie antrifft, werden Sie so was nich’ finden.«
    Sie schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln. »Schön. Danke, Mr. Robinson. Schauen Sie nicht so säuerlich drein. Ihren Tee habe ich nicht vergessen.«
     
    Claudine war nicht glücklich darüber, wieder nach Hause zurückzukehren, aber früher oder später war das unvermeidlich. Das war es ja immer.
    »Du kommst spät«, hielt ihr Mann ihr vor, als sie in den Salon trat. Zuvor hatte sie sich durch die Hintertür in die Küche geschlichen, um nicht in den Krankenhauskleidern gesehen zu werden. Jetzt war sie frisch gewaschen und hatte eines ihrer Spätnachmittagsgewänder angezogen, die sie zu Hause gewöhnlich trug. Es war

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