Galgenfrist für einen Mörder: Roman
viel höher als sonst, ihr Herz pochte zum Zerspringen.
»Jericho Phillips hat Scuff«, sagte Monk tonlos. »Wir sollen sofort damit aufhören, ihn zu verfolgen, und zwar wir alle, die gesamte Wasserpolizei, oder er benutzt Scuff für seine Geschäfte. Und wenn er mit ihm fertig ist, verkauft er ihn entweder weiter oder er bringt ihn um, falls er lästig wird oder für Ärger sorgt.«
»Dann hören wir auf!« Hester glaubte, an ihren Worten zu ersticken, doch für sie war es einfach undenkbar, dass sie Scuff leiden ließen. Sein Leben war das höchste Gut.
»Das ist noch nicht alles«, murmelte Monk, jetzt zitterte auch seine Stimme. »Ich soll Durban öffentlich verurteilen und so schlecht über ihn reden, wie ich nur kann. Dazu soll auch die Behauptung gehören, dass er damals mit den Männern unter einer Decke steckte, die die Bank ausraubten. Außerdem soll ich sämtliche Anschuldigungen, die ich gegen Phillips erhoben habe, zurückziehen und erklären, dass sie nur durch meinen Wunsch begründet waren, Durbans Namen reinzuwaschen und meine Dankesschuld ihm gegenüber abzutragen. Sein Preis ist Scuffs Leben. Wenn ich nicht darauf eingehe, wird sein Tod langsam und sehr schmerzvoll sein.«
Hester starrte Monk an. Unendliche Sekunden lang konnte sie nicht fassen, was er gesagt hatte, und als es endlich in ihr Bewusstsein sickerte, empfand sie es als unerträglich. »Wir müssen uns darauf einlassen.« Noch während die Worte über ihre Lippen drangen, fühlte sie sich wie eine Verräterin, doch eine andere Antwort war einfach nicht denkbar! Welches Glück, welche Ehre könnte es jemals für sie geben, wenn sie zuließen, dass Phillips Scuff behielt und ihn womöglich zu Tode quälte? Die Macht des Schreckens, der Erpressung war so grausam logisch und ließ kein Entkommen zu. Aber dann bemerkte sie noch etwas anderes in Monks Gesicht: Begreifen – und noch größeres Entsetzen.
»Was noch?« Sie beugte sich vor, wie um sich an ihn zu klammern, und verharrte erst im letzten Moment. »Du weißt doch noch irgendwas. Sag es mir.«
»Ich habe mir überlegt, dass ich zu Rathbone gehen und ihn über Ballinger informieren sollte.« Monk flüsterte beinahe. »Er muss es wissen, so schlimm es auch für ihn sein wird. Und er könnte uns vielleicht helfen, auch wenn ich nicht weiß, wie das möglich sein soll.«
»Armer Oliver«, stöhnte Hester. »Aber wenn ich müsste, würde ich jedem alles erzählen, nur um Scuff zurückzubekommen.«
»Claudine hat die Befürchtung geäußert, Ballinger könnte sie erkannt haben«, fuhr Monk mit heiserer Stimme fort. »Anscheinend war es tatsächlich so, und er hat Phillips informiert. Deshalb hat dieser Verbrecher Scuff in seine Gewalt gebracht. Sie wissen, dass sich das Netz um sie zuzieht. Wir müssen Scuff da rausholen oder unsererseits eine Geisel nehmen, um Phillips zu zwingen, ihn freizulassen. Ich fahre als Erstes zu Rathbone …«
»Ich komme mit«, sagte Hester, ohne zu zögern.
»Nein. Ich werde dich von nichts ausschließen, das verspreche ich dir, aber …«
»Ich komme mit. Wenn du Scuff befreist und irgendjemand verletzt wird, kann ich mehr für ihn tun als ihr alle zusammen.« Zum ersten Mal schloss ihr Blick auch Orme mit ein. »Und das weißt du auch!«
Monk blickte ihr fest in die Augen. »Und ob ich das weiß. Genauso weiß ich, dass du es mir nie vergeben würdest, wenn etwas passierte, das du hättest verhindern können. Und damit könnte ich nicht leben. Ich gebe dir mein Wort, dass ich ohne dich nicht losziehen werde.« Er wandte sich an seinen Stellvertreter. »Das Gleiche gilt für Sie, wenn Sie bereit sind, mich zu begleiten, Orme.«
»Ich bin dabei«, erklärte Orme schlicht. »Ich besorge uns ein Boot. Und Pistolen.«
Monk bekundete mit einem Nicken seinen Dank. Dann berührte er im Vorbeigehen Hesters Hand. Die Wärme, die ihre Haut ausstrahlte, hielt nur einen Moment lang an. Als Monk die Tür erreichte, hatte sie sich bereits verflüchtigt.
Auf kürzestem Weg fuhr Monk zu Rathbones Kanzlei und bat darum, zu ihm vorgelassen zu werden.
Cribb bedauerte. »Es tut mir sehr leid, Mr. Monk, aber Sir Oliver führt gerade ein Gespräch mit einem Mandanten. Ich erwarte, dass er Ihnen in etwa einer halben Stunde zur Verfügung stehen kann, wenn es dringend ist.«
»Es ist äußerst dringend. Wenn dieser Mandant nicht gerade morgen vor Gericht steht, kann es nicht warten. Jericho Phillips hat ein weiteres Kind verschleppt. Bitte unterbrechen Sie Sir
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