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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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über sie gestolpert ist, und ihnen ein Bett und was zu essen gegeben. Viele von den Kindern haben auf seinem Boot gelebt, aber wir konnten dort nie was finden. Er hatte Späher, und die wussten immer, wer und wo wir waren.«
    Rathbone erwog, Einspruch dagegen zu erheben, dass Orme eine Mutmaßung präsentierte statt einer erwiesenen Tatsache, doch sich wegen einer solchen Bagatelle zu ereifern war ihm nicht der Mühe wert.
    »Sie konnten also nie einen Missstand auf seinem Boot feststellen?«, schloss Tremayne.
    »Nein, Sir.«
    »Warum haben Sie dann seinen Namen überhaupt ins Spiel gebracht?«, fragte der Anwalt der Krone in sanftem Ton, als wäre er etwas verwirrt. »Was war es, das Ihre Aufmerksamkeit auf ihn lenkte und das mehr war als wachsende Verzweiflung, wenigstens einen Namen für diesen toten Jungen zu ermitteln?«
    Mit einem Seufzer ließ Orme alle Luft entweichen. »Ein Informant ist zu uns gekommen und hat gesagt, dass Jericho Phillips auf seinem Boot so was wie eine Mischung aus Bordell und Guckkasten betrieb. Dass er dort kleine Jungen hatte und sie zwang, bestimmte … Sachen … auszuführen.« Er unterbrach sich, offenbar aus Verlegenheit. Sein Blick flackerte zu den Zuschauern hinüber. Ihm war nur zu bewusst, dass auch Frauen darunter waren. Wütend über sich selbst und seine Schwäche, wandte er dann den Blick wieder ab.
    Tremayne half ihm nicht. Sein Gesichtsausdruck, vor allem der leicht nach unten gekrümmte Mund, verriet deutlich, dass er das Thema als abstoßend empfand und es nur ansprach, weil er das dem Toten – und der Wahrheit – schuldete.
    »Unnatürliche Handlungen mit anderen Kindern«, stieß Orme schließlich gequält hervor. »Mit Jungen. Und er hat Kameras benutzt, um Fotografien zu machen, damit er sie an bestimmte Leute verkaufen kann, von denen er mehr Geld kriegt als von denen, die sich das anschauen.« Sein Gesicht erglühte schier bis zu den Haarwurzeln.
    Tremayne fragte mit äußerster Behutsamkeit weiter. »Das ist es, was Ihnen dieser Mann berichtet hat, Mr. Orme?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Ich verstehe.« Tremayne verlagerte geringfügig das Gewicht. »Und baten Sie ihn, Sie dorthin zu führen, damit Sie sich mit eigenen Augen von derWahrheit überzeugen konnten? Immerhin hätte er die ganze Geschichte einfach erfinden können, nicht wahr?«
    »Das ist richtig, Sir. Aber er hat sich geweigert, uns hinzuführen oder eine offizielle Aussage zu machen. Er hat gesagt, dass er selber erpresst wird, weil er die Bilder angeschaut hatte.Wie ich das sehe, hat er wohl auch ein paar gekauft. Er hatte eine Heidenangst.«
    Diesmal erhob sich Rathbone und legte Einspruch ein. »Der Zeuge mag dieser Meinung sein, aber das ist kein Beweis, Mylord.«
    Tremayne neigte zum Zeichen der Anerkennung mit einem Lächeln den Kopf, dann wandte er sich wieder an Orme. »Hat er Ihnen das so gesagt, Mr. Orme?«
    »Nein, Sir. Er hat uns nicht mal seinen Namen verraten.«
    In einer kleinen, aber eleganten Geste der Verwirrung zuckte Tremayne die Schultern. »Steckte denn überhaupt ein Zweck dahinter, dass er sich zu Ihnen wagte, wenn er nicht bereit war, auf das wenige, was er sagte, einen Eid zu leisten?«
    »Nein, Sir, eigentlich nicht. Aber vielleicht hat es uns trotzdem geholfen, die Fahndung einzuengen, wenn ich das so sagen darf. Mr. Durban konnte ziemlich gut zeichnen. Er hat’ne Skizze vom Gesicht des toten Jungen angefertigt und dann noch ein Bild gemalt, wie er aufrecht und in Kleidern ausgesehen haben könnte. Damit sind wir ein paar Wochen lang durch die Straßen gezogen, um zu sehen, ob ihm jemand einen Namen geben konnte oder irgendwas über ihn wusste.«
    »Und? Hatten Sie Erfolg?«
    »Jawohl, Sir. Uns wurde gesagt, dass er früher ein Mudlark war. Das sind Kinder ohne Eltern, die am Fluss leben und sich mit Fundsachen und Gelegenheitsarbeiten über Wasser halten. Und ein kleiner Bursche hat mir erzählt, dass er und unser Junge mit sechs, sieben Jahren am Fluss an der Flutlinie immer Kohle aufgesammelt haben. Er kannte ihn als Fig, aber er war sich ganz sicher, dass er es war, weil sein Haar vorn am Kopf so komisch wuchs. Den ganzen Namen und woher er kam, das konnte er uns aber nicht sagen. Vielleicht war er ein Findelkind, aber so genau wusste das niemand. Vor ein paar Jahren ist er dann verschwunden. Aus diesem Mudlark war nicht herauszubringen, wohin genau und wann. Er konnte sich nicht erinnern, und es hatte keinen Zweck, ihn zu bedrängen. Wir haben dann noch ein paar

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