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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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unterstreichen, bewegte er sich ein, zwei Schritte weiter. »Es hat keinen Zweck, Sie zu fragen, ob Sie Ihrem Mann ergeben sind; welche andere als eine bejahende Antwort könnten Sie geben? Aber gestatten Sie mir die Frage nach Ihren Lebensumständen in der Zeit, als Mr. Monk Mr. Durban kennenlernte. Waren Sie damals wohlhabend? In welchem Beschäftigungsverhältnis stand Ihr Mann? Hatte er gute Aussichten auf Beförderung?«
    Richter Sullivan rutschte unbehaglich auf seinem hohen Stuhl vor und blickte Rathbone mit einem besorgten Flackern an, dann wandte er die Augen ab und richtete sie auf irgendeinen Punkt hinten im Saal. Man hätte meinen können, dass er ausloten wollte, wie das Publikum diese ungewöhnliche Wendung der Ereignisse interpretierte.
    Tremayne erhob sich halb, nur um sich wieder auf seinen Stuhl sinken zu lassen. Gestattete er Hester nicht, zu antworten, würde der Eindruck entstehen, sie oder Monk hätten etwas zu verbergen, dessen sie sich schämten. Die Geschworenen konnten sich leicht alles Mögliche vorstellen, was rufschädigend war.
    »Mein Mann war Privatermittler«, erklärte Hester. »Unser Einkommen schwankte von Woche zu Woche. Gelegentlich zahlten Klienten nicht, und manche Fälle waren einfach unlösbar.«
    Rathbone zeigte sich einfühlsam. »Das kann nicht leicht für Sie gewesen sein. Und natürlich ist eine Beförderung unmöglich. Wie dem Gericht bekannt ist, folgte Mr. Monk Mr. Durban als Kommandant der Wache Wapping der Wasserpolizei. Das ist eine gute Stelle, die eine ordentliche Vergütung, einen hohen Status und die Chance zur Beförderung in einen noch höheren Rang bietet. Selbst der Aufstieg zum Polizeikommissar wäre für einen fähigen und ehrgeizigen Mann kein Ding der Unmöglichkeit. Wie kam es, dass Mr. Monk diese Stelle erhielt und nicht einer der Männer, die dort bereits beschäftigt waren? Mr. Orme, zum Beispiel.«
    »Mr. Durban hatte ihn empfohlen.« Inzwischen beschlich Hester eine düstere Vorahnung, worauf Rathbone abzielen mochte. Aber selbst wenn ihre Einschätzung zutraf und sie jeden Schritt im Voraus richtig erkannte, sah sie doch keine Möglichkeit, den Fragen auszuweichen. Ihre Hände umklammerten schweißfeucht das Geländer, doch innerlich war ihr eiskalt. Die Luft im gedrängt vollen Saal war stickig.
    »Sie müssen sehr dankbar für eine derart unverhoffte und beträchtliche Verbesserung in Ihren Lebensumständen gewesen sein«, fuhr Rathbone fort. »Ihr Mann ist jetzt Kommandant bei der Wasserpolizei, und Sie genießen neben der finanziellen Sicherheit auch gesellschaftliche Anerkennung. Abgesehen von Ihrer eigenen Person, müssen Sie doch auch Ihres Mannes wegen sehr froh sein. Ist er glücklich bei der Wasserpolizei?«
    Hester hatte keine andere Möglichkeit, als zu bejahen. Selbst wenn Monk seine Arbeit gehasst hätte, hätte sie sich ein Nein einfach nicht leisten können. Zum Glück brauchte sie nicht zu lügen, wie Rathbone genau wusste.
    »O ja. Das ist eine gute Truppe mit einem guten Ruf wegen ihres Geschicks und ihrer Ehre. Er ist stolz darauf, ihr angehören zu dürfen.«
    »Wir wollen doch nicht zu bescheiden sein, Mrs. Monk. Sagen wir ruhig, sie führen zu dürfen«, korrigierte Rathbone. »Sind Sie nicht auch stolz auf ihn? Das ist schließlich eine große Leistung.«
    »Ja, natürlich bin ich stolz auf ihn.« Erneut war keine andere Antwort denkbar.
    Rathbone ritt nicht auf diesem Punkt herum. Er hatte ihn den Geschworenen hinreichend klargemacht. Beide, Hester wie Monk, schuldeten Durban sehr viel, sowohl in persönlicher als auch in beruflicher Hinsicht. Und Rathbone hatte Hester in eine Lage manövriert, in der sie dies zugeben oder undankbar wirken musste. Von jetzt an würde alles, womit sie Durban bestätigte, als dieser Dankbarkeit geschuldet ausgelegt werden und damit in den Verdacht geraten, auf Emotionen anstatt auf Fakten zu beruhen. Wie gut er sie doch kannte! Nichts hatte er vergessen, seit sie einander so viel näher gewesen waren und er in sie, nicht in Margaret verliebt gewesen war.
    Hester fühlte sich schrecklich allein in diesem Zeugenstand, wo sie den Blicken jedes Einzelnen im Saal und obendrein Rathbones intimem Wissen über ihre Seele ausgesetzt war. Sie war entsetzlich verletzbar.
    Rathbone griff einen neuen Faden auf. »Mrs. Monk, Sie haben eine wichtige Rolle bei der Identifizierung des armen Jungen gespielt, allein schon aufgrund Ihres Wissens über den Missbrauch von Frauen und Kindern im gewerblichen

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