Galgenfrist für einen Mörder: Roman
Jericho Phillips’To desurteil bedeuten konnte.
»Ihre Hingabe im Dienst an den Armen und Kranken ist nichts weniger als wunderbar«, sagte Rathbone voller Respekt, wenn nicht sogar Bewunderung, doch Hester wartete auf die dahinter lauernde Frage, diejenige, die den Angriff verhüllte.
»Danke. Ich sehe das allerdings nicht so, sondern einfach als Versuch, zu tun, was man kann.«
»Sie sagen das sehr beiläufig, Mrs. Monk.« Rathbone trat zurück, wandte sich ab und schritt in die andere Richtung, ein Bewegungsablauf, der etwas Würdevolles hatte und alle Blicke auf sich zog. Dann schaute er wieder zu Hester auf. »Aber Sie sprechen doch gewiss von einer Aufopferung, von einer Leidenschaft, die weit jenseits der Erfahrung der meisten Menschen liegt.«
»Ich sehe das nicht so«, wiederholte sie, nicht nur aus Bescheidenheit, sondern weil es die Wahrheit war. Sie liebte ihre Arbeit. Es wäre Heuchelei, ließe sie zu, dass man sie als etwas Edles darstellte, das ihr einen hohen persönlichen Einsatz abverlangte.
Rathbone lächelte. »Ich hatte schon erwartet, dass Sie das sagen würden, Mrs. Monk. Aber es gibt Frauen, wie etwa Ihre Mentorin, Miss Nightingale, deren Leben darin besteht, ihre Zeit und ihre Emotionen der Verbesserung des Schicksals anderer zu widmen.«
Beifälliges Murmeln erhob sich.
Nun stand Tremayne auf. Seine Miene drückte Verwirrung und Unzufriedenheit aus. Hier lief etwas ab, das er nicht begriff, von dem er aber wusste, dass es gefährlich war. »Mylord, mir ist bekannt, dass Sir Oliver seit langem eine freundschaftliche Beziehung mit Mrs. Monk pflegt und dass Lady Rathbone ebenfalls einen Teil ihrer Zeit großzügig der Portpool Lane Clinic widmet. So bewundernswert das auch ist, drücken Sir Olivers Bemerkungen jedoch in keinster Weise eine Frage aus, und in Hinblick auf die Klage gegen Jericho Phillips scheinen sie ohne Relevanz zu sein.«
Sullivan zog die Augenbrauen hoch. »Sir Oliver, selbst wenn es bei aller Unwahrscheinlichkeit so sein sollte, dass Mrs. Monk sich Ihrer Wertschätzung nicht bewusst ist, wäre es nicht besser, solche Bemerkungen ihr gegenüber in privatem Rahmen abzugeben?«
Rathbone errötete, was vielleicht an Sullivans Andeutung lag, doch er ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. »Die Relevanz wird sich sehr bald herauskristallisieren, Mylord«, entgegnete er bestimmt. »Wenn Sie mir gestatten fortzufahren?« Und ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich wieder zu Hester um.
Widerstrebend setzte sich Tremayne.
»Waren Sie mit dem verstorbenen Kommandanten Durban bekannt, Mrs. Monk?«, fragte Rathbone in freundlichem Ton.
Er war mit den Umständen des Falles Louvain vertraut, hatte er doch eine wichtige Rolle darin gespielt. Und natürlich wusste er, dass Hester Durban nicht persönlich, sondern nur aus Monks Schilderungen kannte.
»Nein«, antwortete Hester, der nicht ganz klar war, welche Absicht Rathbone mit dieser Frage verfolgte. Er zog ihre Aussage keineswegs in Zweifel, etwas, das sie eigentlich erwartet und worauf sie sich vorbereitet hatte. »Nur vom Hörensagen.«
»Von wem?«
»Zunächst von meinem Mann. Später auch von Mr. Orme, der sich mit der größten Hochachtung über ihn äußerte.«
»Welche Meinung bildeten Sie sich über seinen Charakter?«
Schon wieder rätselte Hester. Ihre Antwort würde zwangsläufig die Argumentationskette, die Rathbone schmieden musste, um Phillips’ Schuld zu bestreiten, in jedem Punkt schwächen. Es war unvorstellbar, dass er bewusst darauf hinarbeitete, die Verteidigung eines Mandanten zu sabotieren! Und dass er einen Fall übernahm, nur um ihn absichtlich zu verlieren, widersprach allem, was sie über ihn wusste!
»Mrs. Monk«, mahnte er sacht.
»Dass er ein Mann von Leidenschaft, Humor und hoher Integrität war«, erklärte Hester. »Er war ein guter Polizist und hatte eine außergewöhnliche Befähigung, zu führen. Er war ein ehrenhafter, tapferer Mann, der schließlich sein Leben opferte, um andere zu retten.«
Rathbone nahm das mit einem dezenten Lächeln zur Kenntnis, als wäre es nicht nur die erwartete, sondern sogar die gewünschte Antwort gewesen. »Ich werde Sie nicht über die näheren Umstände befragen. Sie sind mir bekannt, da ich damals selbst zugegen war. Und es verhält sich exakt so, wie Sie es geschildert haben. Doch es handelt sich um eine Angelegenheit, die des allgemeinen Wohls wegen mit äußerster Diskretion behandelt werden muss.« Wie um den Themenwechsel zu
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