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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Handel mit der Ware Sexualität.« Den letzten Teil sprach er voller Widerwillen aus, womit er den Gefühlen aller Zuschauer in der Galerie und insbesondere denen der Geschworenen Ausdruck verlieh. »Sie waren diejenige, die in Erfahrung brachte, dass er ein Mudlark war.« Er wandte sich elegant zur Geschworenenbank um. »Für den Fall, dass sich im Saal jemand befinden sollte, dem dieser Begriff nicht geläufig ist, wären Sie so freundlich, ihn zu erläutern?«
    Erneut hatte Hester keine andere Wahl, als zu antworten. Rathbone führte sie durch das Verhör wie ein guter Reiter sein Rennpferd, und sie hatte das Gefühl, ähnlich einem dressierten Tier völlig kontrolliert zu werden. Vor der Öffentlichkeit zu rebellieren, das hieße sich der Lächerlichkeit preisgeben. Wie gut er sie doch kannte!
    » Mudlarks sind Personen, die ihre Zeit am Flussufer verbringen, und zwar zwischen der Ebbe-und der Flutlinie«, sagte sie gehorsam. »Sie bergen alles Schwemmgut, das irgendwie von Wert sein könnte und sich verkaufen lässt. Die meisten, wenn auch nicht alle, sind Kinder. In der Regel finden sie Messingschrauben, Rohrteile, Porzellan, Kohlestücke – diese Art von Gegenständen.«
    Rathbones Miene verriet gespanntes Interesse, als wäre er nicht längst bis ins Detail mit den Fakten vertraut. »Woher wissen Sie das alles? Es liegt schließlich außerhalb Ihres eigentlichen Fachgebietes. Wen haben Sie um die Informationen gebeten, die Sie zur Identifizierung des Knaben Fig führten, der einmal ein Mudlark war?«
    »In einem noch gar nicht so lange zurückliegenden Fall wurde ein junger Mudlark verletzt. Ich habe ihn etwa zwei Wochen lang versorgt.« Warum erkundigte er sich auch noch nach Scuff? Wollte er etwa die Identifizierung der Leiche anzweifeln?
    Rathbone bohrte weiter. »Wirklich? Wie alt war er? Wie hieß er?«
    Warum fragte er danach ? Er kannte Scuff. Er war zusammen mit ihnen in der Kanalisation gewesen und hatte genauso verzweifelt wie sie um Scuffs Leben gekämpft.
    »Er ist am Fluss unter dem Namen Scuff bekannt und schätzt, dass er ungefähr elf Jahre alt ist.« Obwohl sich Hester alle Mühe gab, distanziert zu bleiben, bebte ihre Stimme vor Emotionen.
    Rathbone zog die Augenbrauen hoch. »Das schätzt er?«
    »Ja. Er weiß es nicht.«
    »Hat er Fig identifiziert?«
    Es ging ihm also um die Identifizierung! »Nein. Er hat mich einigen älteren Jungen vorgestellt und sich für mich verbürgt, weil sie mir sonst womöglich nicht die Wahrheit gesagt hätten.«
    »Und dieser Junge, Scuff, vertraut Ihnen?«
    »Das will ich doch hoffen.«
    »Sie haben ihn mit zu sich nach Hause genommen, als er verwundet war, und ihn bis zu seiner Gesundung gepflegt?«
    »Ja.«
    »Und da ist eine Zuneigung zwischen Ihnen gewachsen?«
    »Ja.«
    »Haben Sie selbst Kinder, Mrs. Monk?«
    Sie fühlte sich wie aus heiterem Himmel geohrfeigt. Es war nicht so, dass sie sich verzweifelt nach Kindern sehnte. Sie war glücklich mit Monk und ihrer Arbeit. Was sie verletzte, war die versteckte Unterstellung, ihr würde irgendwie etwas fehlen und sie hätte Scuff nicht bei sich aufgenommen, weil sie ihn mochte, sondern um eine Leere bei sich selbst zu füllen. Damit wäre bei einer verqueren Betrachtungsweise der Rückschluss möglich, alles, was sie in der Klinik, ja sogar auf der Krim geleistet hatte, hätte nur als Kompensation für das Fehlen einer eigenen Familie, eines im herkömmlichen Sinne höheren Zwecks gedient.
    Aber das stimmte nicht! Sie hatte einen Mann, den sie weit mehr liebte als die meisten anderen Frauen den ihren. Sie hatte aus freiem Entschluss geheiratet, nicht aus Vernunftgründen, Ehrgeiz oder Not. Sie hatte eine Arbeit zu leisten, die viel Verstand, Fantasie und Mut verlangte. Die meisten Frauen hatten nach dem Aufstehen am Morgen täglich dieselben Pflichten im Haushalt zu erledigen, füllten ihre Tage eher mit Worten statt mit Taten und bewältigten die immer gleichen Aufgaben, die am nächsten und am übernächsten Tag wieder auf sie warteten. Hester hingegen hatte sich nur einmal in ihrem Leben gelangweilt, und zwar in der kurzen Zeit, die sie in höheren gesellschaftlichen Kreisen verbracht hatte. Unmittelbar danach war sie auf die Krim gegangen.
    Aber wenn sie auch nur einen dieser Aspekte in den Mund nahm, würde das wirken, als müsste sie sich verteidigen. Rathbone hatte sie so hintergründig, so unterschwellig angegriffen, dass die Leute ihr jeden Protest als übertrieben auslegen würden. Mehr noch, es

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