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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Namen Fig getötet hatte, Mr. Simmons?« Rathbone achtete sorgfältig darauf, den Zeugen nicht zu führen, also Bitten um Mutmaßungen oder auf Hörensagen beruhende Kommentare zu vermeiden. Mit diesem Verlauf war Tremayne alles andere als glücklich, aber ihm bot sich keine einzige Gelegenheit zum Einspruch. Hester konnte das Duell so klar verfolgen wie ein Schachspiel. Nachdem er gemacht worden war, wirkte jeder Zug verständlich und logisch, war aber unmöglich im Voraus zu erahnen.
    »Nein, Sir, das hat er nich’ getan«, antwortete Simmons. »Konnte nich’ erklären, ob er Phillips hasste, weil er den Jungen umgebracht hatte, oder ob ihm so sehr an dem Jungen lag, weil Phillips der Mörder war.«
    Rathbone reagierte blitzschnell, noch bevor Tremayne protestieren oder Sullivan den Zeugen ermahnen konnte. »Sie meinen, dass Durbans Verhalten Ihnen Grund zu der Vermutung gab, dass ihm über das Verbrechen hinaus eine persönliche Abneigung zugrunde lag? War es das, Mr. Simmons?«
    Tremayne erhob sich halb, überlegte es sich dann aber anders und sank auf seinen Stuhl zurück.
    Sullivan blickte ihn fragend an. Seine Miene verriet äußerste Aufmerksamkeit, als verfolgte er hinter dem beruflichen Wettstreit zwischen zwei Anwälten eine persönliche Auseinandersetzung, die ihn nicht nur interessierte, sondern geradezu erregte. Waren diese Schlachten vor Gericht der Grund, warum er die Rechtswissenschaft liebte?
    Das Gesicht in tiefe Furchen gelegt, rang Simmons um seine Antwort. »Das war’ne persönliche Angelegenheit«, meinte er schließlich. »Woher ich das weiß, kann ich Ihnen eigentlich gar nich’ sagen. Man musste sein Gesicht sehen, hören, wie er von ihm geredet hat und was für Ausdrücke er in den Mund nahm. Andere Sachen hat er manchmal einfach stehen und liegen lassen, aber den Fall Phillips kein einziges Mal. Die Art und Weise, wie sie den Jungen misshandelt hatten, hat ihn zerfressen, aber trotzdem war er froh darüber, einen Grund für die Hetzjagd auf Phillips zu haben.«
    Ein kaum hörbares, doch eindeutig bewunderndes Raunen erhob sich im Saal.
    Richter Sullivan beugte sich etwas zur Seite, um dem Zeugen direkt ins Gesicht zu blicken. Seine Miene war ernst, seine zur Faust geballte Hand ruhte auf dem polierten Pult vor ihm.
    »Mr. Simmons, Sie dürfen nicht behaupten, der Angeklagte sei des Mordes an dem Jungen schuldig, es sei denn, Sie wissen das aus eigener Anschauung. Ist das der Fall? Haben Sie gesehen, wie er Walter Figgis tötete?«
    Simmons starrte ihn verwirrt an, blinzelte und wurde dann kreidebleich, als ihm die volle Bedeutung dieser Frage dämmerte. »Nein, Mylord, das hab ich nich’ gesehen. Ich war nich’ dabei. Sonst hätt’ ich das doch gleich alles erzählt, und Mr. Durban hätte mich nich’ so rumscheuchen brauchen. Ich hab keine Ahnung, wer den armen kleinen Teufel umgebracht hat – oder irgendeinen von den anderen Jungs, die flussaufwärts und -abwärts verschwinden oder zusammengeschlagen werden oder wer weiß was sonst noch durchmachen.«
    Rathbone zog die Augenbrauen hoch. »Wollen Sie sagen, dass Mr. Durban an diesem einen verlorenen Kind mehr Interesse zu zeigen schien als an irgendeinem anderen, Mr. Simmons?«
    »Und ob!«, knurrte Simmons. »Wie’n Hund mit’nem Knochen, so war er. Konnte kaum noch an was anderes denken.«
    »Er kümmerte sich doch sicher auch um Diebstahl, Betrug, Schmuggel und die anderen Verbrechen, die am Fluss und im Hafen verübt werden?«, erkundigte sich Rathbone in unschuldigem Ton.
    »Nich’ dass ich was davon bemerkt hätte«, erwiderte Simmons. »Machte immer mit Phillips und dem Jungen rum. Er hat ihn richtig gehasst.Wollte ihn hängen sehen. Das hat er auch immer wieder gesagt.« Er warf einen Blick auf Sullivan und schaute gleich wieder weg. »Und das hab ich mit meinen eigenen Ohren gehört.«
    Rathbone dankte ihm und lud Tremayne dazu ein, seinerseits den Zeugen zu vernehmen.
    Hester fiel ein ganzes Dutzend Fragen ein, die sie dem Mann hätte stellen wollen. Sie starrte Tremayne an, als könnte sie ihn durch die Macht ihres Willens dazu bewegen, das für sie zu tun. Gebannt verfolgte sie, wie er sich mit etwas weniger als der gewohnten Eleganz erhob, ein deutliches Zeichen von Anspannung. Ein Fall, der als absolut sicher erschienen war, entglitt ihm nach und nach. Er war blass.
    »Mr. Simmons«, begann er äußerst höflich. »Sie sagen also, dass Ihnen Mr. Durban keinen Grund für seinen Eifer nannte, die Person zu stellen,

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