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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ihm nicht. »Weil er sein Kommando ohne jeden Missbrauch seiner Macht führte«, erklärte er. »Seine Männer mochten ihn nicht nur, sondern respektierten ihn auch. In der kurzen Zeit, in der ich ihn kannte, bevor er sein Leben der Pflicht opferte, lernte ich ihn als einen Mann von Humor, freundlichem Wesen und absoluter Integrität kennen.« Fast hätte er auch noch etwas wie »Hass gegen Ungerechtigkeit« hinzugefügt, verkniff es sich aber gerade noch rechtzeitig.
    »Eine schöne Lobrede auf einen Mann, der nicht mehr für sich selbst sprechen kann«, kommentierte Rathbone. »Er hat ganz gewiss einen ergebenen Freund in Ihnen, Mr. Monk.«
    »Aus Ihrem Mund klingt das so, als ob Treue zu einem Freund ein Vergehen wäre«, entgegnete Monk ein wenig zu schnell, womit er seine Verärgerung verriet.
    Rathbone hielt inne, dann blickte er langsam zu Monk in dem Zeugenstand nach oben. »So ist es in der Tat, wenn Loyalität vor die Wahrheit und vor das Gesetz gestellt wird, Mr. Monk. Sie ist eine nachvollziehbare Eigenschaft, vielleicht sogar eine liebenswerte – allerdings nicht in den Augen eines Mannes, der eines abscheulichen Verbrechens bezichtigt wird, nur weil hinter der Klage jemand steht, der damit eine Schuld bei einem Freund vergelten will.«
    Ein Raunen ging durch den Saal. Ein, zwei Geschworene wirkten äußerst nervös. Aus Richter Sullivans Gesicht sprach sorgfältig gewahrte Ausdruckslosigkeit.
    Tremayne erhob sich, allerdings eher vor Wut, nicht vor Zuversicht.
    »So tiefschürfend Sir Olivers Philosophie auch sein mag, Mylord, sie scheint keine Frage zu beinhalten.«
    »Sie haben völlig recht«, stimmte Sullivan zu, wenn auch nur widerstrebend. »Solche Bemerkungen sind in Ihrem Club besser aufgehoben, Sir Oliver. Sie haben Mr. Monk in den Zeugenstand gerufen. Kann ich folglich annehmen, dass Sie Fragen an ihn haben? Fahren Sie bitte damit fort.«
    »Mylord.« Rathbone verbarg einen Anflug von Verärgerung. Dann hob er wieder den Kopf zu Monk. »Welchen Beruf übten Sie aus, bevor Sie Mr. Durban kennenlernten?«
    »Ich war Privatermittler«, antwortete Monk. Er ahnte schon, worauf Rathbone abzielte, konnte dem aber nicht ausweichen.
    »Prädestinierte Sie das für die Übernahme von Mr. Durbans Stelle als Kommandant der Wasserpolizei von Wapping?«
    »Das glaube ich nicht. Aber früher war ich bei der Metropolitan Police gewesen.« Rathbone würde doch sicher nicht seinen Gedächtnisverlust ins Spiel bringen, oder? Plötzlich befiel Monk die kalte Furcht, dass Rathbone genau das vorhaben könnte.
    Aber an diesem Punkt führte Rathbone seinen Schlag nicht aus.
    »Warum verließen Sie die Metropolitan Police?«
    Sullivan zeigte keine Regung; man konnte aber ahnen, dass er seine Emotionen nur mit Mühe zügelte. Sein Gesicht hatte sich verfärbt, seine Hand lag zur Faust geballt auf dem Pult. »Sir Oliver, stellen Sie Mr. Monks berufliche Fähigkeit, seinen Ruf oder seine Ehrlichkeit infrage?«
    »Nichts davon, Mylord.« Rathbones Gesicht verriet eindeutig heftige Verärgerung. Auch er hatte die Hände zu Fäusten geballt. »Ich glaube, dass Mr. Durban sich durch Führungseigenschaften auszeichnete, für die ihn Mr. Monk enorm bewunderte, weil er selbst in der Vergangenheit nicht dazu fähig war. Mit seiner Wahl als Nachfolger gab Mr. Durban ihm die Möglichkeit, es noch einmal zu versuchen. Das ist eine Chance, die nicht viele bekommen. Außerdem bewies ihm Mr. Durban damit ein Vertrauen, das er selbst nicht in sich hatte. Ich werde beweisen, dass Mr. Monks Gefühl, in Mr. Durbans Schuld zu stehen, ihn dazu trieb, auf der Jagd nach Jericho Phillips unter Missachtung seines sonstigen Urteilsvermögens seine Befugnisse zu überschreiten, und dass er das tat, um für etwas zu zahlen, das er als persönliche Schuld empfand. Ferner spornte ihn der Wunsch an, sich den Respekt seiner Männer zu verdienen, indem er Durbans usprüngliche Verfolgung des Mörders rechtfertigte.«
    Tremayne schoss hoch, das Gesicht verzerrt. In seiner Erregung vergaß er sogar, zuerst den Richter anzusprechen.
    »Das ist eine äußerst gewagte und ziemlich anmaßende Vermutung, Sir Oliver!«
    Mit Unschuldsmiene wandte sich Rathbone an Sullivan.
    »Mein Mandant wird wegen eines schrecklichen Verbrechens angeklagt, Mylord. Wenn er für schuldig befunden wird, wird man ihn hängen. Keine Wege im Rahmen des rechtlich Möglichen sollten uns zu weit sein, um zu gewährleisten, dass Gerechtigkeit geübt wird, und zwar ohne dass wir

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