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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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heftiger schüren würde, was die Lage nur verschlimmern konnte. Monk wurde entlassen.
     
    Am frühen Nachmittag hielt Tremayne sein Plädoyer. Seine Bewegungen waren geschmeidig, seine Stimme glatt und zuversichtlich, aber Monk wusste, dass das nichts als eine schauspielerische Meisterleistung war. Der Mann hätte auf eine Bühne gehört. Doch hier kämpfte er gegen den Strom an, und das war ihm wohl auch klar.
    Durbans ursprüngliche Schlussfolgerungen erwähnte er nur nebenbei und konzentrierte sich auf die Wiederaufnahme der Fährte durch Monk. All das Grauenhafte an dieser Tat ließ er nach Möglichkeit unausgesprochen und berichtete stattdessen im Detail, wie Monk den Beweis für Figs Identität zusammengesetzt und die Hinweise zusammengetragen hatte, die ihn zu Jericho Phillips und der gewerbsmäßigen Ausbeutung und Pornografie geführt hatten. Über die Fotografien konnte er nicht sprechen, da sie dem Gericht nicht vorgelegt, sondern nur von Monk erwähnt worden waren. Als Beweise existierten sie nicht, worauf Rathbone ohne Zögern hingewiesen hätte.
    Ferner sprach er über Hesters Rolle bei der Verbindung Phillips’ zu dem Gewerbe, das der Befriedigung der sexuellen Gelüste solcher Leute diente, die genügend Geld hatten, um sich alles leisten zu können, was sie wollten, und dafür die Armen benutzten, denen um des Überlebens willen gar nichts anderes übrig blieb, als mitzumachen. Als Tremayne sich setzte, waren die Geschworenen vor Zorn und Mitleid völlig aufgewühlt und wären offensichtlich nur zu bereit gewesen, Phillips die Schlinge persönlich um den Hals zu legen.
    Nun stand Rathbone auf. Er wirkte düster, als hätte ihn das Gehörte ebenfalls heftig bewegt.
    »Was diesem Jungen widerfahren ist, ist erschreckend«, begann er. Er brauchte die Stimme nicht zu heben – im Saal hätte man eine Stecknadel fallen hören können. »Es sollte uns alle erschüttern, und ich glaube, das ist geschehen. Die Tatsache, dass er ein Kind der Armut und von fehlender Bildung war, ist völlig irrelevant. Die Tatsache, dass er seinen Lebensunterhalt am Anfang möglicherweise mit Betteln und Diebstahl bestritt und später höchstwahrscheinlich von Männern, die von äußerst widerwärtigen sexuellen Gelüsten getrieben waren, zu grauenhaften und demütigenden Handlungen gezwungen wurde, ist ebenfalls ohne jede Relevanz. Jeder Mensch verdient zumindest Gerechtigkeit. Wenn möglich verdient er auch Gnade und Ehre.«
    Lautes zustimmendes Raunen erhob sich. Die Gesichter der Geschworenen zeigten heftige Emotionen. Angespannt kauerten die zwölf Männer mit weit vorgebeugtem Oberkörper in höchst unbequemer Haltung auf ihren Plätzen.
    Die Wangen dunkel verfärbt, hockte Sullivan wie erstarrt an seinem Pult.
    »Was wir gehört haben, genügt, um die Leidenschaft, den Zorn und das Mitleid jedes anständigen Menschen zu erregen, ob Mann oder Frau«, fuhr Rathbone fort. »Was würden Sie von einer Frau wie Hester Monk denken, die ihre Zeit und ihr Geld dafür verwendet, in aufopferungsvoller Arbeit den Kranken, den Mittellosen, den Vergessenen und Ausgestoßenen unserer Gesellschaft zu helfen, wenn sie kein Mitleid mit diesem Kind hätte? Wenn sie nicht für diesen Jungen kämpft, wer dann? Wenn sie nicht in seinem Namen von Zorn ergriffen und zu Tränen gerührt wird, was für eine Frau wäre sie dann? Ich bin so frei, die Behauptung zu wagen, dass sie dann nicht eine Frau wäre, die ich kennen wollte.«
    Lautstarkes beifälliges Gemurmel erhob sich.
    Rathbone sprach jetzt die Geschworenen persönlich an. Niemand rührte sich oder gab das geringste Geräusch von sich.
    »Und Kommandant Durban, der die Leiche, wie sie, in den Tauen des Leichterbootes verwickelt und bis zur Unkenntlichkeit entstellt, aus dem Wasser gezogen worden war, und die Brandmale der Folter in dem toten Fleisch vor Augen hatte?« Er hob die Hände. »Was für ein Hüter unserer Gesetze wäre er, hätte er nicht geschworen, sein Berufsleben der Fahndung nach der Kreatur zu widmen, die das angerichtet hatte? In seinem Fall opferte er sogar seine freie Zeit und sein eigenes Geld, um nach Gerechtigkeit zu streben und, wie mir scheint, dafür zu sorgen, dass solche Grausamkeiten nicht auch noch anderen Jungen angetan werden. Wollen wir etwa Polizisten haben, die bei solchen Gräueltaten kalt bleiben?«
    Auf der Anklagebank rührte sich Jericho Phillips zum ersten Mal. In seinen Augen flackerte Panik auf, und sein Körper krümmte sich so weit nach

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