Galgenfrist für einen Mörder: Roman
Versuch, Hester auf seine verquere Art zu trösten.
Sie lächelte ihn an, woraufhin er verlegen wegblickte. Er schämte sich ein bisschen für seine Großzügigkeit. Seine Prinzipien gingen doch nicht etwa verloren?
Hester setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber. »Die kaufe ich gern. Dann können wir öfter waschen und so die Zahl der Infektionen senken.«
»Aber das wird uns noch mehr für Seife und Wasser kosten!«, protestierte Squeaky voller Entsetzen angesichts der Verschwendung, zu der er sich offenbar hatte verleiten lassen. »Und mehr Zeit, um sie zu trocknen.«
»Und bei weniger Infektionen können uns die Patientinnen früher verlassen«, führte sie ihren Gedanken weiter. »Aber eigentlich bin ich aus einem anderen Grund gekommen. Ich brauche Ihre Hilfe.«
Er musterte sie vorsichtig. »Haben Sie schon mit Mrs. … mit Lady Rathbone gesprochen?« Er achtete darauf, keine Regung zu zeigen.
»Ja, ich war gerade bei ihr und habe geklärt, welche Mittel wir für die Küche brauchen«, antwortete sie, während sie insgeheim überlegte, wie viel die anderen über den Prozess und das Urteil wussten. Anscheinend war es eine ganze Menge.
»Was kann ich machen? Das Schwein is’ frei!«, stieß Squeaky aufgebracht hervor, und das bereitete Hester neue Schmerzen, denn ihr wurde bewusst, wie tief sie und Monk die anderen enttäuscht hatten. Alle hatten sich die Füße wund gelaufen, um Hester sämtliche Informationen zukommen zu lassen, die sie erfahren konnten, und dennoch hatte sie es nicht geschafft, Phillips an den Galgen zu bringen.
»Und das tut mir unendlich leid«, murmelte sie. »Wir waren uns seiner Schuld so sicher, dass wir nicht mit der gebotenen Sorgfalt gearbeitet haben.«
Squeaky zuckte die Schultern. Er hatte keine Hemmungen, einen Mann zu treten, wenn er auf dem Boden lag. Im Gegenteil, schließlich konnte ihm selbst gerade dann am wenigsten passieren! Aber Hester konnte er nichts antun. Mit ihr war es etwas anderes. Er wollte lieber nicht daran denken, wie gern er sie mochte; das war eindeutig eine gravierende Schwäche, die er da zeigte!
»Wer hätte auch gedacht, dass Sir Rathbone so was macht?«, fragte er barsch. »Wir sollten jemanden anheuern, der dem Kerl’ne Klinge in den Hals rammt! Aber das würde was kosten! Das wär’ praktisch Bettwäsche für die Hälfte aller Huren in England.«
»Sie wollen Oliver …?« Hester war entsetzt.
Squeaky verdrehte die Augen. »Ach Gott, Frau! Ich meine Jericho Phillips! Würde nix kosten, Sir Rathbone um die Ecke zu bringen. Außer dass Sie dann alle Polypen von ganz London auf dem Hals hätten, und am Ende wären Sie diejenige, die den Seiltanz macht. Und das wär’ auf gewisse Weise das Teuerste überhaupt. Aber um Phillips ist es wirklich nich’ schade. Er wird garantiert zusehen, dass er Ihnen was antut. Das is’ wirklich ein übles Exemplar.«
»Das weiß ich, Squeaky. Trotzdem würde ich ihn lieber auf legale Weise stellen.«
»Das haben Sie schon mal versucht«, erinnerte er sie. Energisch schob er einen Stoß Zeitungen über den Tisch. »Ich will’s Ihnen ja nich’ reinreiben, aber es is’ Ihnen nich’ unbedingt gelungen, das Recht durchzusetzen, oder? Jetzt hat er’s sogar noch besser, als wenn Sie ihn in Ruhe gelassen hätten! Jetzt ist er frei, dieses Dreckstück. Und selbst wenn Sie’s beweisen könnten oder er gestehen würde, könnten Sie dem Scheißkerl nix mehr anhaben.«
»Ich weiß.«
Squeaky wurde auf einmal sehr leise. »Aber an eines haben Sie vielleicht noch nich’ gedacht, Miss Hester. Jetzt weiß er, dass Sie hinter ihm her sind, und er weiß auch, wer Ihnen was erzählen kann. Und diese Leute werden sich in nächster Zeit nich’ aus ihren Löchern trauen. Er is’ durch und durch böse, dieser Jericho Phillips. Er wird denen, die gesungen haben, bestimmt nich’ vergeben.«
Hester fröstelte jäh. In ihrer Magengrube breitete sich ein eiskaltes Gefühl aus. Das war vielleicht die schlimmste Folge ihres Versagens: die Gefahr für andere; für Menschen, die jetzt Angst vor Phillips’ Rache hatten, obwohl sie ihnen Sicherheit versprochen hatten. Sie wollte Squeaky nicht in die Augen schauen, aber es wäre feige gewesen, den Blick zu senken. »Ja, das weiß ich auch. Jetzt wird es noch schwieriger sein, ihn zu erwischen.«
»Es hat überhaupt keinen Sinn, das noch mal zu versuchen, Miss Hester!«, hielt er ihr vor. »Wir können den Dreckskerl nich’ mehr hängen! Wir wissen, dass er gehängt,
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