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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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haben als andere, und die sind dann eben empfänglicher, wenn hier und da ein bisschen Druck ausgeübt wird.«
    Hester starrte ihn entsetzt an. »Wollen Sie damit sagen, dass Jericho Phillips Freunde an Stellen hat, die hoch genug sind, um ihm vor Gericht zu helfen, Squeaky?«
    Er verdrehte die Augen, als würde ihm ihre Naivität körperliche Schmerzen bereiten. »Natürlich! Oder glauben Sie etwa, dass ihm in all den Jahren bloß deshalb nix passiert ist, weil keiner weiß, was er treibt?«
    »Wegen einer Vorliebe für obszöne Fotografien?«, fragte Hester ungläubig. »Ich weiß ja, dass sich viele Männer Mätressen halten oder sich aufs Geratewohl Affären an den unmöglichsten Orten leisten – aber Fotografien? Welches Vergnügen kann einen so starken Reiz ausüben, dass man seine Ehre, seinen Ruf, einfach alles aufs Spiel setzt, um sie bei einem Mann wie Jericho Phillips zu erwerben?«
    Squeaky zuckte mit seinen knochigen Schultern. »Fragen Sie nich’ mich nach der Natur des Menschen, Miss. Ich bin nich’ dafür verantwortlich. Aber es gibt Dinge, zu denen man Kinder zwingen kann und die kein Erwachsener tun würde, ohne einen anzuschauen, als ob man aus dem Irrenhaus getürmt wär’. Mit Liebe hat das nix zu tun, und auch nich’ mit gesundem Vergnügen. Solchen Leuten geht’s bloß um eines: andere dazu zwingen, das zu tun, was man von ihnen will, und die eigene Macht schmecken, immer und immer wieder, weil man nich’ genug davon kriegen kann. Und dann gibt’s welche, die einfach bloß auf den Nervenkitzel aus sind, weil sie was tun, womit sie sich ruinieren könnten, wenn sie erwischt werden, und dieses Risiko macht sie irgendwie besoffen. Das sind die zwei Sorten von Kerlen, die so was treiben. Und weder die einen noch die andern kümmern sich um die Gefühle von anderen Menschen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Aber solange es Leute gibt, die Hunger haben und frieren, wird’s immer auch genug Leute geben, die sich so was gefallen lassen.«
    Hester schwieg.
    »Zu Huren zu gehen ist das eine«, fuhr Squeaky fort. »Und seien wir mal ehrlich, das ist nich’ so schlimm, wie’s in der guten Gesellschaft immer heißt. Die meisten verheirateten Frauen schauen weg und leben ihr Leben weiter. Na ja, kann sein, dass sie ihren Mann aus’m Schlafzimmer aussperren, weil sie nich’ mit’ner üblen Krankheit aufwachen wollen, aber einen Skandal machen sie nicht draus. Bilder von kleinen Mädchen dagegen gehören sich nich’ und stoßen jeden anständigen Menschen ab.«
    Er schüttelte bekümmert den Kopf.
    »Und diese Sachen mit kleinen Jungs erst! Das is’ noch mal was anderes. Das is’ nich’ nur ungehörig, das is’ verboten! So was stellt alles andere in den Schatten. Was man nich’ weiß, macht einen nich’ heiß. Wir alle wissen ja, dass es Dinge gibt, an die wir lieber nich’ denken, und die meisten kümmern sich sowieso nur um ihren eigenen Kram. Aber wenn man davon Wind kriegt, dann muss man was unternehmen. Ob er Freunde hat oder nicht, so ein Kinderschänder fliegt dann aus seinem Club, verliert seine Arbeit, und die Gesellschaft will nix mehr mit ihm zu tun haben. Also zahlt er großzügig, damit um ihn herum Ruhe herrscht, verstehen Sie?«
    »O ja, und ob ich verstehe«, erwiderte Hester mit zittriger Stimme. Unendlich weit tat sich eine ganze Welt des Elends vor ihr auf. Nicht dass Homosexualität ihr kein Begriff gewesen wäre. Sie war immerhin Krankenschwester bei der Armee gewesen. Aber die Vorstellung, dass Kinder für die Befriedigung der Gelüste bestimmter Menschen benutzt wurden, war für Hester etwas völlig Neues und extrem Hässliches. Und dann wurden Kinder auch noch gefangen gehalten, damit sie für solche Zwecke vermietet werden konnten! Richtig schlecht konnte einem davon werden.
    »Ich muss Mr. Phillips zerstören, Squeaky«, sagte sie leise. »Aber ohne Ihre Hilfe wird mir das nicht gelingen. Und wir müssen zusehen, dass wir noch mehr Helfer finden. Ich kann mir denken, dass Mr. Sutton mitmachen würde, und vielleicht auch Scuff. Wen können Sie sich noch vorstellen?«
    In schneller Abfolge zuckte eine ganze Reihe von Emotionen über Squeakys Gesicht: erst Fassungslosigkeit, dann Entsetzen und der dringende Wunsch, zu fliehen, und zuletzt Verblüffung über die Worte und die ersten Anzeichen eines Impulses, Tapferkeit zu wagen.
    Hester wartete einfach ab.
    Squeaky räusperte sich, womit er etwas Zeit gewann. »Tja …« Er hüstelte erneut. »Zwei, drei Leute

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