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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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kenn ich wohl … Aber sie sind nich’ sehr …« Er suchte nach dem passenden Ausdruck, fand aber keinen. »… nett«, sagte er schließlich lahm.
    »Sehr gut«, anwortete Hester, ohne zu zögern. »Nette Leute können hier auch überhaupt nicht helfen. Nette Leute haben keine Ahnung von der Existenz solcher Ungeheuer wie Jericho Phillips, geschweige denn die geringste Vorstellung, wie man sie fangen könnte.«
    Er bedachte sie mit einem freudlosen, aber durchaus anerkennenden Lächeln.
    Ein Klopfen unterbrach das Gespräch, und ohne eine Antwort abzuwarten, trat Claudine Burroughs mit einem Tablett mit Teetassen und Teekanne ein. Sie platzierte es auf dem Tisch, vielleicht ein wenig näher bei Hester als bei Squeaky. Aus der Kanne stiegen verlockend duftende kleine Dampfwolken.
    Claudine war eine hochgewachsene Frau, von ungefähr der gleichen Größe wie Squeaky Robinson, was zur Folge hatte, dass er in ihrer Gegenwart immer kerzengerade aufgerichtet dastand, um wenigstens einen Zentimeter gutzumachen. Sie hatte schmale Schultern und breite Hüften und war in ihrer Jugend hinreichend attraktiv gewesen, doch eine unbefriedigende Ehe hatte viele nach unten weisende Linien in ihr Gesicht gegraben. Erst seit sie auf der Suche nach irgendeiner wohltätigen Arbeit auf die Portpool Lane gestoßen war, hatte sie eine echte und wichtige Aufgabe in ihrem Leben gefunden.
    »Oh, danke!«, rief Hester, die spürte, wie hochwillkommen ihr der Tee war. Kurz fragte sie sich, ob Claudine von der gestrigen Enttäuschung gehört hatte oder ob sie gemerkt hatte, wie müde Hester bereits zu dieser frühen Stunde war. Tatsächlich fühlte sie sich innerlich erschöpft, verwirrt und zerschlagen, und das ging noch viel tiefer als bloßer Schlafmangel.
    Claudine stand noch immer regungslos vor ihnen. Sie schien auf irgendetwas zu warten.
    Voller Ungeduld rutschte Squeaky auf seinem Stuhl herum, womit er zu verstehen gab, dass Claudine störte. Hester musterte sie eingehender, und Claudines Verlegenheit verriet ihr, dass sie sich dessen bewusst war. Vielleicht wusste sie längst über den gestrigen Prozess Bescheid.
    »Ich würde gern helfen«, murmelte Claudine schließlich, die Augen auf ihre Fußspitzen gesenkt, das Gesicht rosig verfärbt. Obwohl ihr die Situation höchst peinlich war, blieb sie und wartete, fest entschlossen, ihren Beitrag zu leisten, egal, was sie das kosten mochte.
    »Das können Sie nich’«, hielt ihr Squeaky mit tonloser Stimme vor. »Sie sind’ne feine Dame und wissen nix von den Leuten, mit denen wir sprechen müssen. Nett von Ihnen, dass Sie das anbieten, aber Sie würden uns nix nützen. Danke für den Tee.«
    Er meinte das wahrscheinlich freundlich, doch nach ihren hochfliegenden Plänen, Teil der Unternehmung zu sein, traf die Degradierung zur Teeserviererin Claudine wie ein Schlag ins Gesicht. Aber auch wenn sie um Worte rang, behauptete sie tapfer ihre Stellung. Ihr Gesicht hatte sich inzwischen tiefrot verfärbt, sodass Hester Mitleid bekam.
    »Wir haben noch nichts Konkretes vor«, versicherte sie ihr hastig. »Wir wissen noch nicht mal, wo wir anfangen sollen. Wir müssen alles noch einmal von vorn durchgehen, nur sorgfältiger. Und wir werden es viel schwerer haben. Die Leute, die vorher ausgesagt haben, werden jetzt große Angst haben. Phillips ist nicht mehr im Gefängnis, und er ist sehr gefährlich.«
    »Dann werden auch wir sehr vorsichtig sein müssen.« Claudine starrte Hester an und ignorierte Squeaky völlig. »Wir werden ihnen die Fragen so stellen müssen, dass sie die Bedeutung ihrer Antwort erst später erkennen und nichts mehr zurücknehmen können.« Jetzt endlich blickte sie auch Squeaky an. »Ich bin froh, dass Sie helfen wollen. Dafür respektiere ich Sie, Mr. Robinson.« Sie wandte sich abrupt ab und eilte zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal zu Hester um, die Augen von Zweifeln überschattet. »Ich stehe Ihnen für alles zur Verfügung, was ich leisten kann. Bitte vergessen Sie das nicht.« Bevor die anderen etwas darauf erwidern konnten, ging sie hinaus und schloss die Tür energisch hinter sich.
    »Sie dürfen sie nich’ benutzen!« Squeaky hatte sich über den Tisch gebeugt und starrte Hester aus weit aufgerissenen Augen an. »Was kann sie denn schon tun? Sie würde ja nich’ mal von hier bis zum anderen Ende der Straße finden. Und sie hat kein Recht, mich zu ›respektieren‹. Wie kommt sie überhaupt darauf, dass ich versprochen hab …« Er biss sich auf die

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