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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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meine Schwester fragen kann, nur damit er endlich den Mund hält. Da hat er gemeint, dass er wiederkommt. Diese Mary Wie-auch-immer is’ ungefähr so alt wie er, hat er gesagt, aber mehr als das wusste er selber nich’.«
    Scuff warf Monk einen Blick zu.
    Auf dem Fluss fuhr ein Vergnügungsboot vorbei. Die Töne einer Drehleier wehten je nach Windrichtung mal lauter, mal leiser zu ihnen herüber.
    »Und hast du deine Schwester gefragt?«, setzte Monk nach, der darüber rätselte, was Durban gesucht haben mochte. Von einer Frau mittleren Alters war bisher nie die Rede gewesen.
    »Nich’ sofort.« Der Junge sog die Luft durch den Mund ein. »Aber Mr. Durban is’ tatsächlich zurückgekommen, der hat einfach keine Ruhe gegeben. Ich hab Pitbull-Terrier gesehn, die sich nich’ so wütend in Sachen verbissen haben wie er. Am Ende hab ich ihm gesagt, dass er Biddie fragen soll, und hab ihm erklärt, wo sie is’.«
    »Wo finden wir Biddie?«
    Der Junge verdrehte die Augen, gab ihnen aber die Auskunft.
    Monk hatte gewiss nicht die Absicht, Scuff in ein Bordell mitzunehmen, doch die Alternative wäre gewesen, ihn allein zu lassen. Er hätte ihn natürlich in die Paradise Place schicken können, aber dann hätte er dem Jungen zugemutet, Hester zu erklären, dass er länger bei ihnen bleiben würde, was nun wirklich seine, Monks, Aufgabe war. Abgesehen davon war sie vielleicht noch gar nicht daheim, falls es in der Portpool Lane wieder mal eine Krise gegeben hatte. Kurz und gut, ihm blieb nichts anderes übrig, als Scuff zu erlauben, ihn zu begleiten.
    Selbst für eine Sommernacht war es stockfinster, als sie Biddie endlich fanden. Sie war am frühen Abend ihrem Gewerbe nachgegangen, doch jetzt war sie gerne bereit, für ein paar Shilling bei einem Glas Bier mit ihnen einfach nur zu reden.
    Sie war ein nicht übermäßig schönes Mädchen, aber drall und relativ sauber in ihrem blauen Kleid, dessen tiefer Ausschnitt Scuff bei weitem nicht so beunruhigte, wie er das Monks Meinung nach hätte tun sollen.
    »Ja, richtig, Mary Webber.« Biddie nickte. Während sie sprach, umklammerte sie ihr Glas mit beiden Händen, als fürchtete sie, es könne ihr weggenommen werden. »Er hat sie dringend gesucht und is’ ganz schön heftig geworden. Ich hab beteuert, dass ich keine Mary Webber kenne, und das stimmt wirklich! Hatte nie von ihr gehört.« Sie brachte es fertig, bestürzt dreinzublicken, während sie sich gleichzeitig den Schaum von der Oberlippe wischte. »Der Kerl war fuchsteufelswild, sag ich Ihnen. Richtig getobt hat er! Und Mr. Hopkins hat er übel zugerichtet. Hat ihm die Faust gegen die Schläfe gedroschen, dass er noch tagelang blöd im Kopf davon war. Der is’ tatsächlich’n mieser Scheißkerl, aber er hatte genauso wenig von dieser Mary Webber gehört wie ich.«
    Monk war zutiefst bestürzt. Das alles hörte sich überhaupt nicht nach dem Mann an, den er gekannt hatte. »Wie sah er aus?«, fragte er. Vielleicht lag hier eine Verwechslung vor.
    Biddie hatte ein gutes Auge für Gesichter. Vielleicht gehörte das zu ihrem Gewerbe, denn es war wohl ratsam, sich bestimmte Personen einzuprägen, denen man besser aus dem Weg ging. »Ungefähr Ihre Größe, vielleicht ein bisschen kleiner, dafür kräftiger. Sieht nett aus, vor allem für’nen Polizisten. Schöne Augen, ziemlich dunkel waren sie. Das Haar ging schon ins Graue; hatte so kleine Wellen darin. Hatte eine lässige Art, zu gehen, vielleicht wie wenn er früher mal Seemann gewesen war.«
    Das war eindeutig Durban. Monk schluckte. »Hat er Ihnen erklärt, warum er Mary Webber suchte?«
    Ein Pärchen schob sich an ihnen vorbei. Die zwei sprachen laut miteinander und stießen, ohne ein Wort der Entschuldigung, gegen sie.
    »Nix hat er gesagt, und ich hab ihn auch nich’ gefragt!«, rief Biddie vehement. »Ich hab gehört, dass er dann weiter zum alten Jetsam, dem Pfandleiher, gegangen is’ und ihm ganz schön zugesetzt hat. Hat ihn übel zugerichtet. Der Kerl hat immer noch Narben davon. Nich’ dass er vorher’ne Augenweide war, aber jetzt würde er nich’ mal seiner Mama gefallen.« Genüsslich trank sie ihr Bier aus. »Hätte nix gegen ein zweites einzuwenden.«
    Monk schickte Scuff mit dem leeren Glas und drei Pence los. Er atmete tief ein. Da musste er jetzt durch, egal, wie die Wahrheit aussah.
    »Soll das heißen, dass er den Pfandleiher geschlagen hat?« Sie log doch sicher. Warum sollte er ihr Glauben schenken und nicht dem, was er selbst von Durban

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