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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Preis abzuschätzen? Oder sind das in Wahrheit Ihre eigenen?«
    »Fragen Sie mich das noch einmal, und ich werte es als Beleidigung, Monk. Ich tanze nach niemandes Pfeife, außer nach der des Gesetzes.« Rathbones Augen bohrten sich in die Monks, seine Züge hatten allen Anflug von Humor, alles Sanfte verloren. Er sog den Atem ein. »Ebenso gut könnte ich Sie fragen, ob Sie sich über Durbans Verpflichtungen in dem Maße im Klaren sind, wie Sie das gerne wären. Sie haben Ihren Ruf, Ihre Ehre an ihn geknüpft. Ist das klug? Wenn ich Ihnen einen Rat zu geben hätte, könnte er vielleicht lauten, dass Sie erst gründlich nachdenken sollten, bevor Sie Ihre Ermittlungen fortführen. Durban könnte Fehler gehabt haben, die Ihnen unbekannt sind.«
    Dieser Schlag saß. Monk konnte nicht zulassen, dass Rathbone ähnlich klare Erkenntnisse über Durban gewann wie er. Er musste aufbrechen, bevor das Gespräch zu einer Schlacht ausartete, in der zu viele Worte hin und her flogen, als dass einer von ihnen beiden noch zurückweichen konnte. Der kritische Punkt war bereits erreicht.
    »Ich hatte nicht erwartet, dass Sie mir seinen Namen oder Ihr ganzes Wissen über ihn preisgeben«, sagte er laut. »Vielmehr wollte ich Sie darüber in Kenntnis setzen, dass die eingehende Untersuchung von Phillips’ Geschäften es mir ermöglicht, mehr über die Leute zu erfahren, mit denen er in Verbindung stand, was er ihnen schuldete und sie ihm. Wegen Figgis’ Ermordung kann ich ihn zwar nicht mehr verfolgen, womöglich aber noch wegen Pornografie und Nötigung. Das wird mich natürlich viel näher an diejenigen heranführen, die zu den Kunden seines Etablissements zählen. Vieles spricht dafür, dass sie sämtlichen Schichten der Gesellschaft angehören.«
    »Selbst der Polizei«, bemerkte Rathbone spitz.
    »Natürlich. Nichts ist ausgeschlossen. Sogar Frauen können viel zu verlieren – oder zu befürchten – haben, und zwar von denen, die sie lieben.« Damit ließ er ihn stehen und spazierte zur Tür hinaus. Im Gehen fragte er sich, ob er mehr gesagt hatte, als er eigentlich sagen wollte.
     
    Rathbone starrte die geschlossene Tür an, weit beunruhigter, als er das Monk hatte merken lassen. Die Fragen des Polizisten hatten einen Nerv getroffen, und nach Monks Abschied nahm die Beklommenheit eher noch zu, statt sich zu legen. Arthur Ballinger war nicht nur Margarets Vater, sondern auch ein hochangesehener Anwalt, und es galt als selbstverständlich, dass er mit ihm zusammenarbeitete, mehr noch, es wurde sogar von ihm erwartet. Diese Umstände hatten sein sonst hellwaches Misstrauen abstumpfen lassen, und er hatte nicht nach dem Grund gefragt, warum sich Ballinger Phillips’ Verteidigung im Namen eines anonymen Geldgebers angenommen hatte. War dieser Unbekannte am Ende Phillips selbst? Ballinger hatte das bestritten, aber wusste er es wirklich?
    Rathbone musste sich selbst eingestehen, dass ihn einige der Aussagen vor Gericht unerwartet heftig erschüttert hatten. Er konnte nicht länger den Gedanken von sich weisen, dass das nicht eine von den Angelegenheiten war, die man einfach erledigte und dann vergaß.
    Zumindest wusste er, was sein nächster Schritt sein würde, und mit diesem Vorsatz im Hinterkopf gelang es ihm endlich, sich den anstehenden Aufgaben zu widmen.
    Um sieben Uhr am Abend saß er in einem Hansom und fuhr nach Primrose Hill am Rande Londons. Der Abend war hell und warm, und die Sonne stand noch zu hoch am Himmel, als dass sich ein goldener Abendschimmer oder Dunstschleier bemerkbar gemacht hätte. Nur eine leichte Brise raschelte durch die Bäume und ließ die Schatten zittern. Ein Mann führte seinen Hund spazieren, der geschäftig hin und her rannte, die Schnauze am Boden und völlig in Anspruch genommen von seiner eigenen, aufregenden Welt.
    Der Hansom erreichte sein Ziel. Rathbone stieg aus, bezahlte den Kutscher und schritt den Fußweg zur Tür seines Vaters hinauf. Er besuchte ihn stets, wenn er Fälle hatte, die ihn beunruhigten, und er das Bedürfnis hatte, sie zu erklären und die Fragen so lange zu entwirren, bis sich greifbare Antworten herauskristallisierten. Jetzt, da er auf der obersten Stufe vor der Tür stand und ihm der schwere Duft von Geißblatt in die Nase stieg, wurde ihm auf einmal bewusst, dass er seit seiner Hochzeit sehr viel seltener hierhergekommen war als früher. Lag das daran, dass Henry Rathbone Hester so gern gemocht hatte und Oliver ihm den Vergleich mit Margaret ersparen wollte? Die

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