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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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bei einer Handelsgesellschaft eine Stelle als Schreiber gefunden. Schreiben hatte er erst vor neun Jahren gelernt, nachdem er auf der Krim ein Bein verloren hatte. Damals hatte seine bloße Unterschrift eine für ihn fast unlösbare Aufgabe dargestellt.
    Bei der Handelsgesellschaft angekommen, zügelte sie ihr dringliches Gebaren, so gut sie konnte. Gleichwohl musterte der Prokurist sie mit einem äußerst scheelen Blick und kaute lange auf der Lippe herum, während er überlegte, ob er einem seiner Untergebenen wirklich die Erlaubnis erteilen sollte, seine Arbeit für ein Gespräch mit ihr zu unterbrechen.
    Hester lächelte ihn an. »Bitte?«, hauchte sie mit allem Charme, den sie aufbringen konnte. »Ich war die Krankenschwester, die ihn gepflegt hat, als er bei Sewastopol das Bein verloren hat. Ich suche einen bestimmten Mann und glaube, dass Mr. Fenneman mir seine Adresse oder zumindest hilfreiche Anhaltspunkte geben kann.«
    »Hm … na ja … von mir aus«, brummte der Prokurist nervös. »Ein … kurzer Moment wird wohl nicht schaden. Sewastopol? Wirklich? Er hat nie darüber geredet, wissen Sie.«
    »Man redet nicht gern darüber. Es war … entsetzlich.«
    »Andere habe ich schon reden hören.«
    »Ich auch. Doch die wenigsten davon waren dort. Sie hatten nur irgendwelche Geschichten gehört. Diejenigen, die dabei waren, schweigen sich aus. Ich selbst spreche auch nicht gern darüber, und dabei habe ich nur die Folgen der Schlacht miterlebt, als ich unter den Toten nach Verwundeten suchte, denen wir vielleicht noch helfen konnten.«
    Der Prokurist erschauerte. Sein Gesicht war etwas blasser geworden. »Ich hole Mr. Fenneman.«
    Wenig später erschien Fenneman. Er war dünner als bei ihrer letzten Begegnung und trug natürlich keine Uniform mehr. Etwas oberhalb des Knies war ihm ein Holzbein an den verstümmelten Schenkel angepasst worden, und er bewegte sich mit Krücken fort, die er geschickt handhabte. Hester musste immer noch gegen eine gewisse Übelkeit ankämpfen, wenn sie daran dachte, was für ein drahtiger junger Mann er gewesen war und mit welcher Verzweiflung sie um sein Leben gekämpft hatte. Sie selbst hatte den Knochen in dem zertrümmerten Bein durchgesägt und war dabei nicht einmal in der Lage gewesen, ihn zu betäuben, um ihm die qualvollen Schmerzen zu ersparen. Aber sie hatte die Blutung zum Stillstand gebracht und ihn zusammen mit anderen Helfern vom Schlachtfeld ins Krankenhaus getragen.
    Bei ihrem Anblick hellte sich sein Gesicht auf. »Miss Latterly! Dass ich Sie hier in London treffe! Mr. Potts hat gesagt, dass ich Ihnen vielleicht helfen kann. Das möchte ich sehr gern. Wie immer ich kann.« Lächelnd stand er vor ihr, leicht auf die Krücke gestützt, um sein Gewicht auszubalancieren.
    Hester erwog kurz, ihn zu fragen, ob er sich setzen wollte, verwarf den Gedanken aber. Er verrichtete seine Arbeit ohnehin schon im Sitzen und fühlte sich womöglich beleidigt, wenn sie ihn auf seine Behinderung ansprach und ihm unterstellte, er könne nicht stehen.
    »Es freut mich, dass Sie so gut aussehen«, sagte sie stattdessen. »Und dazu eine gute Stelle haben.«
    Er errötete vor Freude.
    »Ich benötige Informationen über einen Mann, der um die Jahreswende gestorben ist«, fuhr sie eilig fort, weil ihr bewusst war, dass der Prokurist bestimmt die Sekunden zählte. »Sein Name war Durban. Er war Kommandant der Wasserpolizei in Wapping und verbrachte seine Kindheit in Shadwell, wie ich glaube. Da er nie über sich sprach, habe ich keinen Anhaltspunkt, wo ich mit der Suche nach seiner Familie beginnen soll. Können Sie mir vielleicht jemanden nennen, der mir da weiterhelfen kann?«
    »Durban?«, murmelte Fenneman nachdenklich. »Kann nicht behaupten, dass ich irgendwas über seine Familie oder seine Herkunft sagen kann, doch er soll ein guter Mann gewesen sein, habe ich gehört. Aber Corporal Miller weiß vielleicht mehr. Erinnern Sie sich? Kleiner Bursche mit rotem Haar. Wir nannten ihn wegen seines Namens ›Dusty‹. Aber so hieß jeder Müller bei uns, weil sie alle mit Mehl bestäubt sind.« Er lächelte. Obwohl er ein Bein verloren hatte, genoss er immer noch die Erinnerungen an die Kameradschaft in der Truppe. »Ich kann Ihnen auch noch die Namen von zwei, drei anderen geben, wenn Sie wollen.«
    »O ja, bitte. Und wissen Sie auch, wo ich sie antreffen kann?«
    Er drehte sich auf seiner Krücke um und humpelte zu seinem Pult zurück. Dort beschrieb er säuberlich einen Bogen Papier,

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