Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller
Kathedrale des kleinen Mannes konnte ich beobachten, wie Menschen miteinander redeten und lachten.
Mir war durchaus bewusst, dass ich mit meinem Tweedanzug in dieser Umgebung ähnlich auffallen würde wie eine Nutte im Nonnenkloster. Aber die gut geschneiderte Innentasche und der lockere Sitz des Jacketts besaßen den unbestreitbaren Vorteil, dass der Revolver sich nicht verräterisch unter dem Anzugstoff abzeichnete. Zur Krönung meines Aufzugs hatte ich die Schiebermütze von Sams Vater aufgesetzt, die schön gestaltete Libelle am Schirm jedoch abgetrennt.
Jetzt war ich ein Wildhüter, der Wilderer in deren ureigenem Revier jagte. Falls wirklich der Slattery-Klan hinter allem steckte, täte ich wohl am besten daran, einfach in den Pub zu spazieren und das Gesindel wie Ratten abzuknallen. Sechs Patronen – und die Welt wäre von sechs Gangstern befreit, die niemand vermissen würde. Doch stattdessen stellte ich meine Wut auf Sparflamme, zog mir die Schiebermütze tief ins Gesicht, schob die Schwingtür auf und trat in den warmen Mief hinein.
Sofort spürte ich Blicke auf mir. Die Gespräche brachen ab und die Männer an den Tischen voller Gläser stupsten einander an. Mit steifen Schritten stakste ich direkt zur Theke. Der Wirt musterte mich breit grinsend von oben bis unten. »Sie ham da woll wat verwechselt, Freundchen. Die Kostümparty is erst morgen Abend.«
Damit erntete er lautes Gelächter von den Kerlen, die um ihn herumstanden.
Ich lachte mit. »Na ja, wo ich schon mal hier bin, kann ich genauso gut ein Starkbier und einen Scotch trinken.«
Die Männer nahmen ihre Gespräche wieder auf. Während ich mein Bier trank, sondierte ich die Lage. Ich stand am Scheitelpunkt der hufeisenförmigen Theke. Zu meiner Rechten standen Tische, an denen Männer Karten spielten und im Gewehrfeuertempo quatschten. Randgestalten, die nicht zum inneren Kreis der Slatterys gehörten; Spanner, die sich am Hauch von Verruchtheit aufgeilten. Nun ja, ich würde schon dafür sorgen, dass sie etwas zum Glotzen bekamen.
Zu meiner Linken saßen die eigentlichen Hauptattraktionen. Dort steckten mehrere Männer an zwei nebeneinanderstehenden Tischen ihre Köpfe zusammen. Ein Tisch war mit drei, der andere mit vier Leuten besetzt. Die Mütze tief ins Gesicht gezogen, blickte ich zum Vierertisch hinüber: Dort saßen Fergie, sein Kumpel von der Fähre und der Typ, dem ich in der Herrentoilette einen denkwürdigen Abend beschert hatte. Der vierte Mann war mir neu, aber von der gleichen schlimmen Sorte. Drei von ihnen kippten ein Ale nach dem anderen, während der mit der lädierten Luftröhre sein Bier durch einen Strohhalm schlürfte. In der Tischmitte standen jede Menge leere Bierflaschen und ein überquellender Aschenbecher.
Am anderen Tisch saßen drei Männer, von denen zwei eindeutig älter als die Handlanger am Vierertisch waren. Sie hatten ihr Revier mit dunklem Starkbier in Flaschen markiert. Der Älteste war vermutlich Mitte 50, hatte ausgedünntes graues Haar und fahle, ausdruckslose Gesichtszüge – das unverkennbare Resultat des seit Generationen währenden Austauschs von Körperflüssigkeiten zwischen Westschottland und Nordirland. Ähnlich wie beim Mischen von farbigem Knetgummi: Irgendwann kam zwangsläufig ein undefinierbares Grau dabei heraus. Dieser Mann musste Dermot Slattery sein.
Eine jüngere Version von ihm hockte gleich daneben, eindeutig aus demselben Stall, nur hatte er noch etwas mehr Haare auf dem Kopf und einen rötlichen Schnauzer, den er wie ein Haustier ständig streichelte. Gerrit Slattery. Zwar konnte ich von meinem Platz aus die Hasenscharte nicht genau erkennen, aber er entsprach exakt der Beschreibung des Mannes, den Hughs neue Nachbarin beim Betreten von dessen früherer Wohnung beobachtet hatte. Bestimmt war das eine Säuberungsaktion gewesen, um sicherzustellen, dass keine Spuren des abgekarteten Spiels zurückblieben.
Der Dritte – er trug sein dunkles krauses Haar ziemlich lang – saß mit dem Rücken zu mir. Aber dem Stiernacken und den breiten Schultern nach zu urteilen legte man sich mit ihm besser nicht an.
Ich kippte meinen Scotch hinunter und spürte, wie sich das Feuer bis in meine Kehle fraß. Danach griff ich in die Innentasche des Sakkos und entsicherte den Revolver, der sich beruhigend kühl und hart anfühlte. Schließlich winkte ich den Mann hinter der Theke zu mir herüber: »Haben Sie irischen Whiskey da? Jameson’s?«
Er deutete mit dem Kinn auf eine Flasche, die
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