Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller
schlichen wie befohlen hinüber. Nur Gerrit blieb vor mir stehen. »Falls Sie ihm auch nur ein ...«
»Sparen Sie sich den Rest, Gerrit. Gehen Sie zu den anderen.« Ich presste die Waffe fester gegen Dermots Schädel.
»Tu’s, um Himmels willen!«, krächzte Dermot.
An Gerrit und den anderen vorbei, die regungslos an der Theke verharrten, führte ich seinen Bruder zur Schwingtür, stieß sie auf und schob ihn auf den Gehweg, ohne den Griff um seinen Hals auch nur für eine Sekunde zu lockern. Im Eingang blieb ich stehen und warf einen Blick zurück auf die Meute, die bereits auf die Tür zudrängte.
»Ich erschieß den ersten Mann, der rauskommt. Und danach euren Boss. Habt ihr das verstanden? Ich hab gefragt, ob ihr das verstanden habt!« Sie nickten widerwillig.
Das verschaffte mir rund 20 Sekunden Luft. Ich stieß Dermot vor mir her, die dunkle Seitengasse entlang, und packte ihn noch fester am Hemdkragen. Da er körperlich in schlechter Verfassung war, atmete er mühsam und schnaufte nach kurzer Zeit wie eine kaputte Dampfmaschine. Doch ich trieb ihn erbarmungslos weiter und spornte ihn hin und wieder dadurch an, dass ich ihm die Waffe an den Hals drückte.
»Mein Gott, Jesses, Maria und Josef ... Ich kann ... nicht ... mehr ...« Schon zum zweiten Mal betete er den Rosenkranz oder etwas Ähnliches herunter, während ich ihn eine mit Kopfstein gepflasterte Gasse entlangzerrte, die parallel zum Pub verlief. Auf halber Strecke warf ich ihn in den dunklen Schlund einer Garageneinfahrt, stieß ihn dort gegen die Mauer, ließ ihn zu Boden gleiten und setzte ihm den Revolver an die Schläfe. Meine Wut war einem dumpfen Pochen im Schädel gewichen. »Halten Sie den Mund, Slattery, halten Sie einfach mal den Mund!«, quetschte ich mit zusammengepressten Zähnen hervor.
Er keuchte, prustete und trennte sich von seinem Bier. Der säuerliche Gestank schwängerte die Luft, doch zumindest hatte er aufgehört, seinen Schöpfer und dessen Verwandtschaft anzuflehen. Hinter uns konnte ich Rufe und klappernde Schritte auf dem Kopfsteinpflaster hören.
»Töten ... Sie ... mich ... nicht ... Brodie«, würgte er heraus. »Ich kann ... Ihnen was ... zahlen. Jede ... gewünschte ... Summe.«
Jetzt hätte ich ihm liebend gern in die Eier getreten. »Ich will Mrs. Reid und ihre Kinder. Und die Garantie, dass mein Freund Hugh Donovan am Leben bleibt.«
»Okay, darüber lässt sich reden. Wir können helfen.« Wie ein Bittsteller kniete er vor mir auf dem Boden. Ich drückte ihm den kalten Revolverlauf erneut an die Schläfe. »Ach ja? Und ich kann Ihnen vertrauen?«
Er nickte heftig, verhielt sich wie ein folgsames Hündchen. Keine Spur mehr von dem harten Kerl, den er sonst mimte.
»Gott ist mein Zeuge«, beteuerte er.
»Wird wohl so sein, Slattery.«
Einen Moment lang war ich verwirrt und stellte mir einen möglichen Ablauf der kommenden Minuten vor: Slattery als zusammengesunkener Leichnam auf dem Kopfsteinpflaster. Mit halb weggerissenem Gesicht und einer dunklen Pfütze unter seinem Schädel.
Doch dann rieb ich mir die Augen und konzentrierte mich wieder auf die Gegenwart. Sein bleiches, zusammengekniffenes Gesicht reflektierte das Mondlicht. Von seiner Stirn tropfte Schweiß, und er bekam kaum noch Luft. Zwar hatte ich in Gefechten anderen Menschen das Leben genommen, aber nicht auf diese Weise. Noch nie hatte ich einen erschöpften Mann, der bereits am Boden lag, kaltblütig exekutiert. Schon gar nicht einen Mann im mittleren Alter. Trotz all seiner Missetaten – zu denen auch der Befehl gehörte, mich zu töten – verspürte ich plötzlich einen Anflug von Scham. Ich zog den Revolver zurück, trat einen Schritt zur Seite und lauschte den Rufen und hastigen Schritten. Offenbar war der Suchtrupp verwirrt und hatte beschlossen, sich aufzuteilen.
Am Ende der Gasse, ins orangefarbene Licht der Straßenlaterne getaucht, waren zwei Männer stehen geblieben und starrten in die Dunkelheit. Vermutlich fragten sie sich, ob sie sich weiter hineinwagen oder an irgendeinem besser ausgeleuchteten, nicht so bedrohlichen Ort weitersuchen sollten.
Ich beugte mich zu Slattery und sagte so leise, dass nur er es hören konnte: »Ich möchte, dass Sie Mrs. Reid und alle vier Kinder aus dem Versteck auf Arran abholen lassen, wo immer es auch sein mag. Sie haben bis Sonntag Zeit, die Familie nach Glasgow zurückzubringen. Am Montagmorgen bringen Sie sie um zehn Uhr zur Öffentlichen Bibliothek in Townhead. Kapiert?«
Er
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