Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller

aus, Brodie?«
    Ich starrte ihn und seinen Bruder an, der weiterhin hingebungsvoll seinen rötlichen Schnauzer bearbeitete. »Auf Mrs. Reid und ihre Kinder. Und beleidigen Sie bitte meine Intelligenz nicht damit, indem Sie fragen, wer das ist.«
    Er legte den Kopf schräg. »Sie haben wirklich Nerven, Brodie, das muss ich Ihnen lassen. Angenommen, wir wissen, wer die Frau ist und sogar, wo sie ist: Wieso sollten wir sie Ihnen dann ausliefern?«
    »Sagt Ihnen das Nummernschild SD 319 irgendwas? Befestigt an einem schwarzen Austin 10? Das sollte es jedenfalls, schließlich gehört der Wagen Ihnen. Und ich habe Zeugen dafür, dass zwei Ihrer hier anwesenden geistig minderbemittelten Muskelprotze Mrs. Reid und ihre Familie vor vier Monaten entführt und nach Arran gebracht haben. Am letzten Sonntag suchten sie Mrs. Reid erneut heim und nahmen sie mit. Entweder liefern Sie mir Mrs. Reid und die Kinder aus oder ich flüstere der Polizei alle Einzelheiten über die Entführung.«
    Dermot Slattery musterte mich kurz und sah danach seinen Bruder an. Sein gackerndes Gelächter übertönte sogar den Lärm im Pub, sodass auch alle anderen zu kichern begannen. So etwas Komisches hatten sie nicht mehr gehört, seitdem der britische Premier Neville Chamberlain am 30. September 1938 nach dem Münchner Abkommen ewigen Frieden zwischen Deutschland und England verkündet hatte. Der Krauskopf an der Theke krümmte sich regelrecht vor Lachen.
    Ich stand auf, zog den Revolver, spannte ihn und schoss dem Lockenmann in den Fuß.

29
    Einen Moment lang – der ewig anzudauern schien – war nur noch der laut widerhallende Revolverschuss zu hören, der alle anderen Geräusche im Pub übertönte. Glücklicherweise hatte die zehn Jahre alte Patrone nicht versagt. Und dann begann der Krauskopf zu schreien. »Der hat auf mich geschossn, verdammt noch ma«, tat er uns allen überflüssigerweise kund.
    Er umklammerte seinen Fuß, fiel zu Boden und ließ das Jammern eines Säuglings folgen. Wie ein Mann erhoben sich alle Kerle an den Tischen. Stühle kippten um, Bierhumpen flogen durch die Gegend und die Meute wich vor diesem Wahnsinnigen im Tweedanzug zurück. Ehe einer von ihnen auf die Idee kommen konnte, den Helden zu spielen und sich auf mich zu stürzen, richtete ich meine Waffe direkt auf Dermot Slatterys Kopf.
    »Klappe halten! Alle!«, brüllte ich. Schlagartig herrschte Stille, sah man vom anhaltenden Gewimmer des Lockenschopfs ab.
    »Du auch. Halt in Gottes Namen den Mund!«, schrie Gerrit ihn an. Auf Gerrits bleichem Gesicht zeichneten sich jetzt rötliche Flecken ab – nicht nur der Erregung, sondern auch der Angst geschuldet, wie ich hoffte. Der Krauskopf riss sich zusammen und blieb schwer atmend liegen, während das Blut seine Schuhe durchtränkte und in die Sägespäne auf dem Boden sickerte. Am vorherigen Standort seines Fußes war ein fast fünf Zentimeter großes Loch im Fußboden zu sehen; die Verletzung bereitete ihm vermutlich höllische Schmerzen.
    Plötzlich hörte ich ein neues Geräusch und sah, wie die Eingangstür auf und wieder zu schwang: Einige von Slatterys Gefolgsleuten hatten ihr Heil in der Flucht gesucht. Sicher würde die Polizei nicht mehr lange auf sich warten lassen. Ich musste also unverzüglich handeln – solange die abgefeuerte Waffe mir noch Spielraum gab. Hastig trat ich vor und rammte Dermot den Revolverlauf in den Bauch. Zumindest verging ihm der ironische Blick und wich einem Ausdruck von Angst und Unsicherheit.
    »Sofort umdrehen!«, raunte ich ihn an.
    Als er sich zu seiner Gang umdrehte, rammte ich ihm die Finger meiner linken Hand unter den weichen Hemdkragen, sodass ihm das zugeknöpfte Hemd und die Krawatte die Luft abschnürten. Gleichzeitig drückte ich ihm mit meiner Rechten den Revolver an die Schläfe. »Falls irgendjemand auf dumme Ideen kommen sollte, ist die nächste Kugel für seinen Schädel reserviert, kapiert? Ich sagte: Kapiert? « Die fünf Köpfe vor mir nickten.
    »Wat sollnwa jetzt machn, Dermot?«, brüllte Fergie.
    »Nichts, du Schwachkopf, nichts!«, würgte Dermot hervor.
    »Sehr klug, Dermot«, flüsterte ich ihm ins Ohr. »Verhalten Sie sich weiter so klug, dann werden Sie den Abend vielleicht auch überleben. Einverstanden?«
    Er nickte, so gut es eben ging, wenn man gerade mit dem eigenen Hemd erdrosselt wurde.
    »Also gut, ich will, dass ihr alle zur Theke hinübergeht, wo ich euch besser im Blick habe. Macht schon!«
    Die Männer lösten sich aus ihrer Erstarrung und