Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller
verbrachte Zeit gesprochen hatten. Einen Rest ihrer alten Liebe wiederfanden.
Ich schwankte zwischen Wut und einem Gefühl völliger Leere. Es war vorbei. Jetzt konnte ich diese Stadt verlassen und nach London zurückkehren. Die Gefühlsduselei der vergangenen Nacht würde ich einfach beiseiteschieben und so weiterleben, als wäre zwischen mir und Sam nichts gelaufen.
Ich besaß einen guten Universitätsabschluss. Hatte mich auf dem Schlachtfeld bewährt und war dank meiner Verdienste zum Major aufgestiegen. Konnte genauso gut erhobenen Hauptes durchs Leben gehen wie meine alten Kumpel, die wie ihre Väter in den Zechen schufteten. Es gab keinen Grund, das, was ich erreicht hatte, mit Füßen zu treten.
Mir fiel mein alter Kommandeur, General Tom Rennie, ein, der die 51. Highland Division über den Rhein in deutsches Gebiet geführt hatte und dort kurz vor der deutschen Kapitulation im März 1945 unter Mörserbeschuss geriet. Genau wie ich hatte er 1940 in Saint-Valery-en-Caux mit der British Expeditionary Force gegen die Deutschen unter dem Kommando von Erwin Rommel gekämpft, war in Gefangenschaft geraten und nach neun Tagen geflohen. Später hatte er uns durch Nordafrika, Italien und die Normandie geführt und schließlich den Einmarsch in Deutschland befehligt. Tom Rennie war es gewesen, der mich, als Davy Sinclair von einer Kugel getötet wurde, noch auf dem Schlachtfeld zum Major beförderte. Nie würde ich seine Worte vergessen: Das ist jetzt Ihre Kompanie, Major Brodie. Das Leben dieser Menschen liegt in Ihren Händen! Und lächeln Sie um Himmels willen, Brodie! Die Männer hassen deprimierte Saftsäcke!
Nach dem Waschen und Rasieren gesellte ich mich zu Sam an den Frühstückstisch. Das schlechte Gewissen hinderte uns nicht daran, die gebratenen Würstchen und die warmen Scones aus Kartoffelteig zu genießen. Etwas hatte plötzlich jeden erdenklichen Appetit in uns geweckt. Der Gedanke an die eigene Sterblichkeit vielleicht? Wir tunkten die Soße mit Brot auf, tranken Tee und sprachen dabei über das Zurückliegende und das, was uns bevorstand.
»Du kehrst also nach London zurück?«
»Ja, wird Zeit, dass ich wieder ein bisschen Geld verdiene. Falls ich überhaupt noch einen Job habe.«
»Was die vergangene Nacht betrifft ...«
Ich winkte ab. »Ist schon okay, Sam. Es ist einfach so passiert. Du musst deswegen nicht ...«
»Nein! Ich meine, ich hab kein schlechtes Gefühl deswegen. Du etwa?«
»Es war wunderbar.« Ich lächelte ihr zu und dachte dabei an ihre verblüffenden Kurven und die scharfen Zähne.
Sie spielte am Griff ihrer Tasse herum. »Und ich fahre nach Norden. Bist du dort je gewesen?«
»Fährst du nach Skye?«
Sie zuckte die Achseln. »War nur so eine Idee.«
»Verlockender Gedanke!« Und das meinte ich auch so. Aber was dann? Ein gemeinsamer Urlaub in Skye wäre eine seltsame Grundlage für eine Liebesaffäre. Konnten wir auf irgendetwas anderem als auf Schuldgefühlen aufbauen?
» Aber? Vergiss es, Brodie. Für dich ist es Zeit, nach London zurückzufahren.«
Als sie aufstand und mit dem Geschirr in der Spüle herumklapperte, ging ich zu ihr, nahm sie in die Arme und zog sie eng an mich heran. Anfangs wehrte sie sich dagegen, doch dann sackte sie regelrecht zusammen und ich merkte, dass sie weinte. Ich drehte sie zu mir herum und drückte ihren von Schluchzern geschüttelten Körper an mich, bis sie sich beruhigte.
»Tut mir leid ...«, begann sie.
»Mir auch, Sam. Aber du weiß ja, dass es nicht funktionieren würde. Nicht ...«
Sie stieß mich weg. »Von was redest du überhaupt? Hab doch nicht wegen dir geheult!«
»Äh ... klar. Aber wieso dann?«
»Hugh ist jetzt tot, und ich konnte ihn nicht davor bewahren.«
»Du hast alles Menschenmögliche getan.«
»Nein, es war nicht genug. Ich war nicht gut genug, man hätte mich nicht mit seiner Verteidigung beauftragen sollen. Ich hätte den Fall nicht übernehmen dürfen. Mir fehlt die nötige Erfahrung.« Erneut schossen ihr Tränen in die Augen, aber diesmal vor Wut.
»Was glaubst du, wie ich mich fühle? Wegen meiner Fehler musste Mrs. Reid sterben. Und ihre vier Kinder sind spurlos verschwunden! Wahrscheinlich hab ich auch den Mord an dem verdammten Priester zu verantworten! Wenn hier jemand Schuld trägt, dann ich. Früher war ich mal polizeilicher Ermittler. Heute wäre ich nicht mal dazu imstande, eine entlaufene Schildkröte im Garten einzufangen.« Beide waren wir laut geworden.
Sie schwenkte die Arme. »Hör
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