Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller
Und auch nicht, warum sie Hugh Donovan unbedingt für ein Verbrechen an den Galgen bringen wollten, das er gar nicht begangen hat.« Ich zeichnete einen sechsten Kreis und versah ihn mit einem Fragezeichen.
»Diesen Namen musst du beisteuern. Irgendjemand im Justizapparat hat dich ausgewählt. Wir müssen wissen, wer und warum.«
Sie nickte, beugte sich über den Tisch und deutete auf die beiden Kreise mit den Namen Mrs. Reid und Slattery. »Wir sind uns so gut wie sicher, dass die beiden Slatterys hinter dem Mord an Mrs. Reid stecken. Vermutlich wollten sie damit eine Zeugin aus dem Weg schaffen, die sonst zu Protokoll gegeben hätte, was und wen sie in der Nacht vor Hughs Festnahme gehört hat. Aber welche Verbindung besteht zwischen diesen beiden Kreisen?« Ihr Finger wanderte zwischen dem Kreis der Slatterys und dem von Pater Cassidy hin und her. »Wieso musste er sterben?«
»Offenbar stuften sie ihn als Risiko ein. Falls Cassidy tatsächlich der geheimnisvolle Mann war, der Hugh in jener Nacht nach Hause brachte, wusste er vermutlich etwas über den tatsächlichen Mörder. Vermutlich war das jemand aus dem Slattery-Klan. Hat der gute alte Pater in seinem Beichtstuhl davon erfahren? Oder trieb er sich wirklich persönlich mit Dieben und Mördern herum? Welche Dienste kann ein katholischer Priester einer Bande von Gangstern erweisen? Und falls er mit ihnen zusammenarbeitete, wieso haben sie ihn dann getötet?«
»Glaubst du wirklich, dass er den Slatterys deinen Ausflug nach Arran gesteckt hat?«
»Wer sonst? Es wusste doch kein anderer davon. An dem einen Tag sorgt er dafür, dass man mich von der Fähre wirft, am Folgetag findet man ihn nackt in einer Schlinge, und zwar in der eigenen Kirche. Was ist da passiert? Ich bin mir sicher, dass es kein Selbstmord war. Wollte er als Kronzeuge gegen die Slatterys aussagen? Und wenn ja, warum? Ein Fingerzeig der Jungfrau Maria? Oder hatte er plötzlich das Höllenfeuer vor Augen?«
»Aber wie ist er überhaupt in diesen Schlamassel hineingeraten?«
»Wenn wir das wüssten, dann ...«
»Wie können wir das herausfinden?«
»Ich wünschte, mir würde was einfallen.«
33
Hin und wieder braucht man einfach Glück. Meistens ereilt es einen aus heiterem Himmel. Etwa wenn man gerade pleite ist und eine Zehnpfundnote findet. (Nur entpuppt sie sich dann manchmal als Falschgeld.) Es konnte natürlich auch passieren, dass einen das Glück so unvermittelt überrumpelte wie eine längst abgeschriebene frühere Liebschaft, die es sich anders überlegt hat.
Wie es der Zufall so wollte, klopfte das Glück am folgenden Tag – passenderweise am Maifeiertag, dem Vorboten des Sommers – frühmorgens an unsere Tür. Sam und ich waren bereits auf den Beinen und wuselten im Haus herum, nachdem wir unsere keuschen Nachtlager verlassen hatten. Ich fragte mich, ob sie genauso lange wie ich wach gelegen und auf Schritte vor der Schlafzimmertür gelauscht hatte.
Sam übernahm es, zu öffnen. Ich hörte eine Männerstimme und danach, wie sie den Besucher in die Bibliothek führte. Gleich darauf rief sie, ich solle aus der Küche herüberkommen. Sie hatte sich mit verschränkten Armen vor dem Mann aufgebaut, der von einem Fuß auf den anderen trat und ständig den Hut in den Händen drehte. Mit einem Glücksbringer hatte er nicht die geringste Ähnlichkeit, im Gegenteil. Bei seinem Anblick wurde ich geradezu fuchsteufelswild.
»Sie haben vielleicht Nerven! Weswegen wollen Sie uns diesmal festnehmen? Oder sind Sie nur aus Schadenfreude gekommen?«
Der Kriminalbeamte Davy White hatte zumindest den Anstand, rot zu werden – entweder aus Wut, aus Verlegenheit oder einer Mischung aus beidem. Egal. Jedenfalls weidete ich mich an seinem Unbehagen.
»Wenn Sie’s schon unbedingt wissen müssen, Brodie: Ich bin gekommen, um Sie zu unterstützen.«
»Dazu ist es ein bisschen zu spät, White! Sie sind verdammt spät dran. Wie könnten ausgerechnet Sie uns wohl weiterhelfen?«
»Es geht um den Fall Donovan. Und um Mrs. Reid.«
»Und was ist mit Pater Cassidy? Und den verschwundenen Kindern der Frau? Das stinkt doch alles zum Himmel, White!«
Er nickte und fingerte an seinem viel zu engen Hemdkragen herum. »Ich weiß, ich weiß. Deswegen bin ich ja gekommen. Kann nicht länger bei dieser Sache mitmachen.«
Als ich sein Gesicht betrachtete, dachte ich einen schrecklichen Moment lang, der Kerl würde gleich vor uns zusammenbrechen und flennen.
»Ich mach mal Tee«, kündigte Sam an.
»Ich
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