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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Wangen. Ihre Augen strahlten, die Haut wirkte viel glatter und rosiger als sonst.
    «Na?», fragte Hella. «Hast du schön geträumt?»
    «Wunderbar. Alles ist ganz und gar wunderbar», flötete Gustelies und knetete einen Kuchenteig. Dann schlug sie ihn flach, rollte ihn auf ein Blech und belegte ihn singend mit getrockneten Apfelscheiben und Rosinen.
    «Hast du den Pater so verärgert, dass du ihm heute, mitten in der Woche, einen Kuchen backen musst?», fragte Hella, und ihre Worte klangen bissiger als beabsichtigt.
    Gustelies sah erstaunt hoch, schüttelte den Kopf. «Ach was, der Pater. Für Tom backe ich. Er hat sich diesen Kuchen gewünscht, nachdem der gestrige ihm so gut geschmeckt hat. Wenn er fertig ist, werde ich ihn gleich zu den Gauklern bringen.»
    Hella wollte den Mund halten. Sie hatte es sich fest vorgenommen. Sie wollte sich nicht mit ihrer Mutter streiten. Doch plötzlich öffnete sie die Lippen, und schon quollen die Worte dazwischen hervor, waren nicht mehr aufzuhalten. «Ich finde es unerträglich, wie du dich gestern aufgeführt hast. Wie eine Küchenmagd beim Maientanz. Es war einfach widerlich: diese schmachtenden Blicke und die glänzenden Augen. Lächerlich hast du dich gemacht. Dich und alle, die dich kennen.» Hella erschrak, schlug sich die Hand vor den Mund. Hätte sie gekonnt, hätte sie jedes einzelne Wort zurückgeholt und sich in die Kehle gestopft. Gleichzeitig aber war ein Trotz in ihr, der ihr recht gab und das Gesagte guthieß.
    So stand sie nun, die Hand vor dem Mund, und sah mit erschrockenem und trotzigem Blick zugleich auf ihre Mutter.
    Aus Gustelies’ Gesicht war jedes Lächeln weggewischt. Ganz erstarrt wirkten ihre Züge. Der Mund wurde schmal, die Nase spitz. «Lächerlich», flüsterte sie. «Unerträglich.» Dann ließ sie sich schwer auf die Küchenbank fallen.
    Hella sah die Veränderung im Antlitz ihrer Mutter, sah Schmerz darin und Kränkung. Plötzlich schämte sie sich über die Maßen. Sie stürzte zu Gustelies, fiel vor ihr auf die Knie, fasste nach ihren Händen. «Es tut mir leid», flüsterte sie. «Es tut mir so furchtbar leid.»
    Gustelies sah über Hellas Kopf hinweg zur Wand. Dann sprach sie mit kühler Stimme: «Es gibt Dinge, mein Herzlieb, die ich nicht mit dir zu besprechen wünsche. Auch deine Bemerkungen dazu sind nicht willkommen.»
    «Aber ich bin doch deine Tochter», barmte Hella, die wusste, wie sehr sie ihre Mutter gekränkt hatte.
    «Eben. Du bist meine Tochter und hast dich stets geweigert, mehr zu sein als eben nur dies. Ich aber bin nicht nur deine Mutter, sondern auch eine Frau. Du, Hella, kannst mich nur als Mutter ertragen. Alles andere erweckt deine Eifersucht. Ich liebe dich sehr, trotzdem werde ich dir zuliebe nicht einen ganzen Teil meiner selbst verleugnen. Wenn du mich als Frau nicht ertragen kannst, dann bleib weg.»
    «Dann bleib weg?», flüsterte Hella. «Meinst du das ernst?» Sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen über die Wangen rollten.
    Gustelies schüttelte ihr Haar und sah endlich in Hellas Gesicht. «Bleib weg und schweig, wenn du mich als Frau erlebst und nicht ertragen kannst. Das meine ich.»
    Nun wurde Hella über und über rot. Die Tränen rollten jetzt aus Scham. «Es tut mir leid», wiederholte sie. «Du hast recht, ich bin eifersüchtig auf Tom, eifersüchtig auf alles und jeden, der mir meinen Platz in deinem Herzen streitig macht.»
    «Ich weiß», erwiderte Gustelies schlicht und stand auf. «Und nun lass uns das tun, was wir tun wollten. Ich werdemeinen Kuchen fertigbacken und zu den Gauklern gehen.»
    «Fein», erwiderte Hella, noch immer leise. «Darf ich dich begleiten?»
    Gustelies fuhr herum, blitzte Hella an «Nein, mein Kind. Es gibt Dinge, bei denen die Mütter ihre Töchter ganz und gar nicht gebrauchen können. Hast du nicht gehört, was ich gerade gesagt habe?»
    Ihr Gesicht verdüsterte sich. Auch in ihren Augen glänzten jetzt Tränen. «Ich bin doch noch nicht alt», sagte sie leise. «Ich habe doch auch noch ein bisschen Glück verdient, oder nicht? Sollen etwa die einzigen Worte, die ein Mann zu mir sagt, die Worte ‹Die Welt ist ein Jammertal und das Leben ein Graus› sein?»
    Hella kam sich schäbig vor. Sie stand auf, um ihre Mutter in den Arm zu nehmen. «Alles Glück auf Erden sollst du haben. Und du bist nicht alt. Im Gegenteil, deine Seele ist nicht älter als meine. Und schön bist du auch noch immer.»
    Gustelies sah besänftigt hoch und blinzelte die aufsteigenden

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