Galgentochter
Tränen weg.
«Aber wir müssen Heinz helfen, die Morde aufzuklären», sprach Hella weiter. «Und wir müssen uns beeilen damit, ehe noch weitere Morde geschehen.»
«Meinst du, das passiert?», fragte Gustelies.
«Ich weiß es nicht. Solange niemand weiß, warum der Mörder tötet, wissen wir nicht, ob und wann er damit aufhört. Heinz hat mir von Meuchlern aus anderen Städten erzählt, die mehr als einen auf dem Gewissen haben. Viele morden so lange, bis sie gefasst werden.»
«Ich verstehe», sagte Gustelies und schob endlich das Backblech in den Backofen. «Dann wirst du wohl mitkommenmüssen.» Sie legte eine Hand auf ihren Busen, der gehörig bebte. «Du verdächtigst auch Tom, nicht wahr?»
Hella hob vage die Schultern. «Die Gaukler haben Leder. Und sie könnten alle drei Opfer gekannt haben. Die Hure, das wissen wir, hat bei ihnen übernachtet.»
Gustelies nickte, aber sie schwieg.
«Ich werde nicht lange bleiben», versprach Hella. «Sobald ich erfahren habe, was ich wissen muss, werde ich verschwinden und dir noch einen schönen Tag wünschen. Aber pass auf dich auf, Mutter. Gaukler sind wie Schmetterlinge, heißt es.»
«Ich kann schon auf mich aufpassen», teilte Gustelies lächelnd mit, aber Hella bezweifelte genau das. Im Gegenteil: Sie hatte sogar Furcht, ihre Mutter könnte vor lauter Liebe bestimmte Dinge übersehen oder einfach nicht wahrhaben wollen.
«Während wir auf den Kuchen warten, wirst du mir helfen, eine Hechtsuppe zu bereiten. Ein Fischer kam heute Morgen, der dem Pater noch etwas schuldig war, und brachte zwei tadellose Hechte. Nun, zwei sind ohnehin zu viel für uns. Ich denke, die Suppe wird auch noch für euch reichen.»
Hella, die noch immer ein leises schlechtes Gewissen ihrer Mutter gegenüber hatte, fragte interessiert: «Erklärst du mir, wie man Hechtsuppe macht?»
Gustelies ließ sich dazu nicht zweimal auffordern. «Ich habe die Hechte schon geschuppt und ausgenommen, sie gewässert und die Gräten vom Fleisch getrennt. Nun wirst du mir eine große Zwiebel schneiden, und ich werde unterdessen zwei Möhren, eine halbe Sellerie, zwei Stangen Lauch und zwei Pastinaken putzen und in grobe Würfel schneiden. Das geputzte Gemüse wirst du dann in Schweineschmalzanschwitzen, während ich die Hechtköpfe, die Haut und die Gräten gründlich zerkleinere. Das verlangt einige Übung. Am besten schneidet man zuerst mit dem Messer und zerkleinert die Stücke anschließend im Mörser. Danach werden Kopf, Gräten und Haut zu dem geputzten Gemüse gegeben. Dann gießt man einen halben Liter Wasser und einen halben Liter Wein hinzu und lässt das Ganze schön aufkochen. Wenn nötig, schöpft man den Schaum an der Oberfläche ab, gibt zwei Lorbeerblätter, Salz und einige Pfefferkörner hinzu und lässt alles eine knappe halbe Stunde ziehen. Danach gibt man das in Würfel geschnittene Hechtfleisch hinzu und lässt alles noch einmal kurz ziehen. Zum Schluss streut man gehackte Petersilie darüber, gibt einen Schuss saure Sahne hinein und serviert die Hechtsuppe mit frischem Brot.»
Hella hatte gut zugehört und schon einmal damit begonnen, die Zwiebel zu hacken, während Gustelies sich am Gemüse zu schaffen machte. Schon bald zogen köstliche Düfte nach Gekochtem und Gebackenem durch das Haus.
Eineinhalb Stunden später verließen die beiden Frauen das Haus. Gustelies trug einen Henkelkorb mit dem frischen, noch warmen Kuchen, Hella einen Krug mit geschlagener Sahne.
Tom winkte den beiden schon von weitem zu. Auch die Wahrsagerin hob die Hand. Dann kam Tom ihnen entgegengelaufen, fasste Gustelies am Arm und küsste sie links und rechts auf die Wangen.
«Na, na!», machte Gustelies und versuchte empört dreinzublicken, doch ihre Augen straften sie Lügen.
«Das ist eine französische Sitte», erklärte Tom mit gespielter Zerknirschung. «Immer, wenn ich eine so schöneFrau wie Euch sehe – und das passiert bei Gott nicht alle Tage –, kommt der Franzose in mir zum Vorschein.»
Hella lachte und ging schneller, um die beiden allein zu lassen. Hinter der letzten Kate hatten die Gaukler ihre Wagen zu einem Viereck aufgestellt, in deren Mitte ein Feuerplatz angelegt war. Zwischen den grünen Wagen mit den grauen Planen flatterten an Wäscheleinen bunte Gewänder.
Die Mitglieder der Gauklertruppe saßen um das Feuer herum. Ein paar kleine Kinder spielten, zwei Frauen putzten Bohnen, eine dritte nähte an einem bunten Wams. «Gelobt sei Jesus Christus», rief Hella.
«In
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