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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Vielleicht auch die Ärzte. Es soll ja auch Schmerzen lindern, hörte ich.»
    «Ärzte, Bader, Chirurgen, Kräuterfrauen also», wiederholte der Richter und machte sich Notizen.
    Der Bürgermeister lief in der schmalen Amtsstube hin und her wie ein gefangenes Tier. «Der Eibisch wird uns schön einheizen. Er ist reich und mächtig. Warum musste es ausgerechnet seinen Sohn treffen?» Er blieb stehen, stützte eine Hand auf den Schreibtisch und sah den Richter aus funkelnden Augen an. «Was habt Ihr überhaupt schon herausgefunden? Der vierte Mord passiert in dieser Stadt, und was macht Ihr?»
    «Wir wissen ungefähr, wo die Morde geschehen sind. Wirwissen, wie die Toten auf den Galgenberg kamen und dass sie wohl alle zuerst mit einer Rauschdroge betäubt und hernach erstickt wurden. Wir ahnen die Gründe, aber noch immer haben wir keinen Anhaltspunkt, wer der Mörder oder die Mörderin sein könnte.»
    «Aha. Das wisst Ihr nicht. Aha. Und wer, frage ich Euch, soll das für Euch herauskriegen?»
    «Ich arbeite daran. Gleich morgen werde ich Bader, Ärzte, Apotheker und Kräuterweiber nach dem Mohnsaft befragen. Dann werde ich mir den vermeintlichen Tatort ansehen. Vielleicht findet sich dort ein Hinweis auf den Täter.»
    Der Bürgermeister schnaubte, doch er hatte selbst keine andere Idee. «Ihr wisst, dass der Landgraf Unterstützung geschickt hat, nicht wahr?»
    Der Richter nickte.
    «Und Euch ist auch bewusst, dass diese vermeintliche Unterstützung nur in unseren Ämtern rumschnüffeln will, damit der Landgraf etwas gegen die Stadt in die Hand bekommt und uns so zum Beitritt zum Schmalkaldischen Bund bewegen will?» Wieder nickte der Richter, und der Bürgermeister sprach weiter: «Und Euch ist natürlich auch klar, dass die freie Reichs- und Messestadt diesem unsäglichen Bund, der das ganze Land zur neuen Lutherlehre bekennen will, nicht beitreten kann, weil es sich die Stadt ansonsten mit dem Erzbischof von Mainz, unserem kirchlichen Oberhaupt, verscherzt. Der Erzbischof hat die besten Kontakte zum Kaiser, schließlich ist er der Reichskanzler und wichtigste Kurfürst. Der Kaiser ist gegen den Schmalkaldischen Bund, ist gegen die Lutherischen. Leicht wäre es für ihn, der Stadt das Messeprivileg zu entreißen und es stattdessen Mainz zu verleihen. Es geht um viel mehr alsum ein paar Morde, Richter. Diese Sache ist ein Politikum geworden!»
    Heinz Blettner sah, dass der Bürgermeister wirklich in Nöten war. Aber dass der Landgraf die Morde dazu benutzen wollte, Frankfurt in den Schmalkaldischen Bund zu pressen, nun, das konnte und durfte nicht seine Sorge sein.
    «Wir müssen dem Patrizier und Ratsherrn Eibisch die Nachricht vom Tode seines Sohnes überbringen. Es ziemt sich bei einer so hochgestellten Persönlichkeit wie dem alten Eibisch, dass der Bürgermeister ihm kondoliert. Wollen wir also zusammen aufbrechen? Während Ihr kondoliert, kann ich mit dem Gesinde sprechen.»
    Der Bürgermeister fuhr sich mit der Hand unter den Kragen seines Leinenhemdes, als sei ihm zu heiß.
    «Muss das sein? Ich meine, wäre es nicht besser, wenn Ihr allein ginget und ich käme dann morgen, nach dem ersten Schock, um das Beileid der Stadt auszudrücken?», fragte der Bürgermeister. Sein Gesicht war ziemlich blass geworden in den letzten Minuten.
    «Natürlich ginge das», erwiderte Heinz, ohne mit der Wimper zu zucken. «Aber uns drängt die Zeit, wie Ihr wisst. Wenn Ihr mitkommt, so kann ich sogleich die Mägde und Knechte befragen und schon die nächsten Untersuchungen in Gang bringen, ohne morgen noch einmal wiederkommen zu müssen. Denkt an die Leute des Landgrafen. Ihr sagt selbst, Zeit ist jetzt alles!»
    Der Bürgermeister trat unschlüssig von einem Bein auf das andere. Sein Gesicht zeigte deutlich, dass er sich diesen Abend anders vorgestellt hatte. Ihm graute schlicht vor dem Besuch bei Eibisch.
    Schließlich nickte er aber, riss die Tür auf und befahleinem Boten, er solle eine Sänfte kommen lassen. Wenig später wurden die beiden Herren durch die leeren Gassen der Stadt getragen. Es regnete noch immer, und das Pflaster war glitschig. Aus den Wirtshäusern drang Lärm, aus den Wohnstuben der warme Schein der Kerzen. Von den Garküchen her roch es nach Gebratenem. Vor einem dreigeschossigen, tiefgestaffelten Haus mit den kostbaren Butzenscheiben stiegen sie aus. Der Bürgermeister wies den Richter an, den Klopfer zu betätigen. Sogleich öffnete eine Magd, die eine weiße Schürze über einem dunklen Kleid

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