Galgentochter
zum Gewandschneiderhaus.»
«Die Vossin wird nichts sagen.»
«Sie nicht, aber vielleicht ihre Magd. Die, die er angeblich geschwängert haben soll, obwohl nichts davon in seinem Abschiedsbrief steht.»
«Ich habe keine Magd», klagte die Vossin. «Sie ist mir weggelaufen. Ihr wisst doch selbst, wie das mit den Dienstboten ist. Ein Kreuz, sage ich, ein Kreuz! Die eine ist faul wie die Sünde, die andere stiehlt, die Dritte macht den ganzen Tag dem Knecht schöne Augen! Nun, meine ist auf und davon. Die beste Pfanne hat sie mitgenommen und eine ganze Seite Speck.»
«Dem Knecht hat sie schöne Augen gemacht? Nicht dem Euren?»
Die Vossin schüttelte erbost den Kopf. «Wie kommt Ihr darauf?» Sie stemmte die Arme in die Seiten und beugte sich weit nach vorn. Das Gesicht hatte sie grämlich verzogen. «Über einen Toten soll man nichts Böses sprechen! Versündigt Euch nicht.»
Hella blickte beschämt zu Boden, aber Gustelies bliebvöllig unbeeindruckt. «Woher wisst Ihr denn plötzlich, dass der Eure tot ist, he?»
Die Vossin schrak zurück, nahm einen Schürzenzipfel und knetete ihn in den Händen. Sie zwinkerte mit den Augen, als hätte sie Mühe, Tränen zurückzuhalten. «Die ganze Stadt spricht davon, jawohl. Auf dem Markt haben mir fremde Leute ihr Beileid bekundet. Also ist er tot, der Meine.»
«Und Ihr habt geglaubt, was die Leute reden, und wart nicht einmal auf dem Amt, um Euch zu vergewissern?»
«Gerade wollt ich hin zum Amt. Gerade sagte ich zur Köchin, dass ich mich umziehen und dann zum Herrn Richter gehen wollte. Da klopfte es, und Ihr standet vor der Tür. Nun also: Ist es der Meine, den man tot und gemeuchelt unter dem Galgen fand?»
Hella schwieg. Sie wusste, dass nur der Schreiber oder einer der Stadtknechte vom Richter beauftragt wurde, derlei Nachrichten zu überbringen und die Hinterbliebenen sogleich aufs Amt zu laden. Auch Gustelies hielt den Mund. Erst nach einer Weile sagte sie: «Geht nach dem Mittagessen zum Amt. Dort erfahrt Ihr alles. Wir sind nicht wegen Eures Mannes hier, sondern der Magd wegen.»
«Sie ist fort», erklärte die Gewandschneiderin noch einmal, dann wandte sie sich um und rief in Richtung Küche: «Gisela, lass das Essen. Hol mir meine schwarze Haube. Sieh, dass alles ganz ist daran, und bürste sie aus.»
«Und Ihr habt natürlich keine Ahnung, wo sie hin ist, die Magd?»
«Glaubt Ihr etwa, dass eine, die ihre Herrin bestiehlt, noch sagt, wohin sie geht, wenn sie wegläuft? Nun muss ich mich eilen. Es gibt viel zu tun. Ich wünsche einen gesegneten Tag!»
Damit schlug die Vossin die Tür zu.
«Und nun?», fragte Hella.
Gustelies lächelte. «Nun gehen wir zu Jutta Hinterer in die Geldwechselstube auf dem Römer. Wenn jemand etwas über die geheimnisvolle Magd weiß, dann sie.»
Gustelies hakte sich bei Hella ein, und gemeinsam gingen sie zurück zum Römer.
Die Geldwechslerin war gerade dabei, ihre Münzstube über Mittag zu schließen. «Na, was treibt euch zu mir? Was gibt es Neues in der Stadt? Was wollt ihr wissen? Und wieso steht ihr nicht am Herd, um die Euren zu beköstigen?»
«Es gibt Wichtigeres als das Kochen», erklärte Gustelies mit ernsthafter Miene, und die Hintererin wollte sich ausschütten vor Lachen. «Das sagst du? Oh, dann ist es etwas überaus Wichtiges, welches euch zu mir treibt. Nun, ich habe Gott sei Dank niemanden, den ich beköstigen muss. Der Vater ist mit Haferschleim zufrieden, und ich werde mir heute eine Pastete zu Mittag leisten. Wie ist es, kommt ihr mit?»
Gustelies wechselte einen kurzen Blick mit Hella: «Es gab lange keine Pasteten mehr bei uns. Pater Nau sollte tatsächlich mal wieder etwas essen, das nicht aus meiner Küche stammt. In letzter Zeit ist er mir ein wenig zu nörglerisch gekommen.»
«Ihr habt recht. Man sollte den Männern ab und zu ins Gedächtnis rufen, wie viel man so tut den ganzen Tag, nicht wahr?»
Die Geldwechslerin stieß Hella lachend an. «So jung und schon so ausgekocht. Bist die Tochter deiner Mutter, was?»
Zu dritt gingen sie zu einem Stand, an dem sie sich Pasteten kauften. Da die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte und über Mittag recht ordentlich wärmte, setztensich die Frauen hinter dem Haus der Geldwechslerin zum Essen auf eine Bank.
Als sie fertig waren, fragte die Hintererin: «Also, was wollt ihr wissen?»
«Die Magd des Gewandschneiders. Wo ist sie? War sie schwanger? Hat die Vossin sie fortgejagt? War das Kind vom alten Voss?»
Die Hintererin lachte
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