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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Empfehlungen? Hast du schon einmal in einem Haushalt gearbeitet?»
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. «Ich kann alles, was ich können muss. Den Rest werde ich lernen.»
    Der Pfarrer betrachtete das Mädchen von oben bis unten. Dann trat er zur Seite. «Komm herein. Ich werde es mit dir versuchen. Aber ich zahle dir nichts. Nur Essen und Unterkunft. Ich hoffe, du bist nicht zänkisch und weißt, was ein Mann braucht, um sich in seinem Heim wohlzufühlen. Machst du mir Ärger, schicke ich dich wieder weg.»
    «Ist mir recht so», erwiderte das Mädchen. Sie ging an dem Pfarrer vorbei, direkt in die Küche. Sie stellte ihr Bündel ab, band sich ein Tuch vor den Bauch und öffnete die Vorratskammer.
    «Was wollt Ihr heute essen?», fragte sie.
    Der Pfarrer schaute verblüfft. «Koch eine Suppe von Bohnen und Speck», sagte er. Das Mädchen nickte und machtesich an die Arbeit. Als die Suppe im Kessel brodelte, scheuerte sie den Küchentisch und den Boden. Sie holte frisches Wasser vom Brunnen, weichte die schmutzigen Putzlumpen darin ein und stellte einen Strauß Blumen, den sie im Garten gepflückt hatte, auf den Tisch.
    Als es zur Vesper läutete, deckte sie den Tisch. Dann stieg sie in die Kammer, die ihr der Pfarrer zugewiesen hatte. Ein Strohsack lag darinnen, darauf ein gut gefülltes Kissen und ein Deckbett. Auf einer kleinen Anrichte stand eine polierte Metallplatte, in der sie sich gut sehen konnte. Das Mädchen dachte an das Hurenhaus und öffnete das Mieder, bis man die Ansätze ihrer Brüste sehen konnte. Dann nahm sie ein wenig vom Saft der Roten Beete, strich sich damit über die Lippen und rieb etwas davon auf die Wangen. Zum Schluss kämmte sie ihr Haar, bis es weich über ihre Schultern und hinab zu den Hüften fiel, nahm ein Stück verkohltes Holz und strich sich damit über die Augenbrauen.
    In der Küche traf sie auf den Pfarrer, der bereits am Tisch saß. Bei ihrem Anblick stand er auf. «Wie siehst du denn aus?», fragte er barsch. Dann griff er nach ihrem Haar, schlang es sich um die Hand und machte einen Knoten hinein. Er drückte dem Mädchen einen Lappen in die Hand. «Wisch dir das Zeug aus dem Gesicht. Dies ist ein Pfarrhaus, kein Hurenhaus.»
    Er sah das Mädchen so verärgert an, dass sie den Blick senkte. Stumm nahm sie seine Schüssel, füllte Eintopf hinein, setzte sich ihm gegenüber. Sie tunkte den Löffel in die Suppe und wollte ihn zum Mund führen, da schlug der Pfarrer mit der flachen Hand auf den Tisch, dass sie vor Schreck den Löffel fallen ließ.
    Der Pfarrer sah ihr schreckfahles Gesicht, kniff die Augenzusammen und lächelte plötzlich auf eine Art, die dem Mädchen unheimlich war. Dann sagte er: «Das ist ein christlicher Haushalt. Vor dem Essen wird gebetet. Du scheinst die Bräuche wenig zu kennen. Bist du katholisch?»
    Das Mädchen zuckte mit den Achseln. Ein paarmal war sie mit der Mutter und den anderen Huren in der Kirche gewesen. Sogar gebeichtet hatte sie einmal. Aber von Gott wusste sie nichts.
    «Ich weiß nicht, was ich bin», sagte sie leise.
    «Bist du getauft?»
    Das Mädchen nickte.
    «Kommst du aus dem Hurenhaus?»
    Das Mädchen senkte stumm den Kopf.
    «Na, kannst es ruhig zugeben. Ich weiß es längst. Ein Christ, der eine Hure zurück auf den rechten Weg führt, ist dem Herrn doppelt lieb. Also? Kommst du aus dem Hurenhaus?»
    Jetzt nickte das Mädchen.
    «Nun, wenigstens bist du ehrlich. Gefallen, aber ehrlich. Ich werde dir das Christliche schon beibringen. Wenn du das Geschirr gespült hast, wirst du zu mir kommen. Wir beginnen gleich heute mit deinem Unterricht.»
    Dann sprach der Pfarrer ein Gebet, und das Mädchen faltete die Hände, wie er es vormachte.

Kapitel 11
    «
Er hat mir das Leben geschenkt, und ich, der ich nicht würdig war, dieses Geschenk zu achten, gebe dem Herrn mein Leben zurück»,
las Gustelies noch einmal laut vor und ließ das Blatt sinken.
    «Sehr philosophisch für einen Gewandschneider, nicht wahr?», fragte Hella.
    «Das kannst du laut sagen. Auf ein solches Tauschgeschäft mit Gott wäre selbst mein Pater Nau nicht gekommen.» Gustelies zuckte mit den Schultern. «Manchmal», sagte sie und blickte nachdenklich über den Fluss, «denke ich, dass der Herrgott der größte aller Kaufleute ist.»
    «Ein Kaufmann? Wie meinst du das?», fragte Hella.
    «Ganz einfach. Wir Menschen handeln beständig mit Gott. Lieber Gott, wenn du mich noch einmal davonkommen lässt, wenn du mich wieder gesund werden lässt, dann werde ich dir

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