Galgentochter
Morgens betrachtete der Pfarrer sie wohlgefällig. «Fett bist du geworden in meinem Haus», stellte er fest. «Ein Zeichen, dass ich dich gut halte.»
«Ja, Herr. So ist es.»
Sie ging in den Garten, um Möhren, die sie in den Boden gegraben hatte, zu holen. Dabei traf sie die Hebamme.
«Na, Mädchen, wie geht es dir? Deine Zeit ist bald gekommen.»
Das Mädchen strich sich über den Bauch, trat nahe zur Hebamme und flüsterte: «Es bewegt sich oft. Ich kann es spüren.»
Die Hebamme lächelte. «So soll es sein. Wie wird es weitergehen mit dir, Mädchen, wenn du das Kind geboren hast? Wirst du beim Pfarrer bleiben? Wird er deinem Kind ein Vater sein?»
Das Mädchen schüttelte den Kopf. «Nein, der Herr Pfarrer weiß nichts von dem Kind in meinem Leib.»
«Und nun?»
Das Mädchen zuckte mit den Achseln. «Ich weiß es nicht. Vielleicht bringt die Zeit Rat.»
Die Hebamme strich dem Mädchen leicht über die Wange. «Wenn was ist, dann hole mich. Vor allem, wenn die Wehen kommen. Eine Frau sollte in dieser Stunde nicht allein sein.»
Das Mädchen nickte.
Nur wenige Tage später bekam das Mädchen Schmerzen. Zuerst zog es nur ganz leicht in ihrem Bauch, dass sie glaubte, es käme von den eingekochten Pflaumen, auf die sie jetzt so häufig Heißhunger verspürte und an denen sie sich gütlich getan hatte. Auch verschwand das Ziehen nach wenigen Atemzügen wieder. Doch im Laufe des Tages wurde der Schmerz stärker, kam in kürzeren Abständen. Als sie das Vaterunser beten musste und die Peitschenhiebe auf ihren Rücken und den Hintern klatschten, kam der Schmerz mit solcher Wucht, dass sie sich bäuchlings auf dem Schemelzusammenkrümmte. Der Pfarrer hielt erschrocken inne und schickte sie in die Kirche zum Schlafen.
Dort, vor dem Altar, wurde der Schmerz so übermächtig, dass sie aufschrie. Schweiß stand ihr auf der Oberlippe, Schweiß rann ihr zwischen den Brüsten hinab. Ihr Bauch, monströs aufgetrieben nun, bewegte sich in Wellen. Stundenlang dauerte der Schmerz an, wurde mit jedem Mal heftiger, sodass sie glaubte, ihr Leib würde zerrissen. Anfangs hatte sie ihre Schreie unter dem Stoff ihres Kleides erstickt, doch nun brüllte sie ungehemmt, geschüttelt von den Wehen. Schon kam die nächste, nahm ihr den Atem, machte sie blind und taub, sodass sie nicht einmal ihren eigenen Schrei hörte und auch nicht die Kirchentür, die sich knarrend öffnete.
Der Pfarrer kam, in der einen Hand eine Kerze, in der anderen ein Kruzifix haltend.
«Was ist dir, Mädchen?», fragte er, sah fassungslos auf die sich Windende. Dann schöpfte er aus dem Taufbecken mit beiden Händen Wasser, ließ es auf ihr Gesicht rinnen.
«Durst», hauchte das Mädchen. «Ich habe solchen Durst.»
«Hier gibt es kein Trinkwasser», stammelte der Pfarrer. «Ich werde welches aus der Küche holen.»
«Nein, bitte nicht! Bleibt bei mir. Gebt mir vom Messwein.»
Der Pfarrer trippelte hin und her, offenbar unschlüssig, was zu tun war. Schließlich lief er zur Sakristei. In diesem Augenblick schrie das Mädchen auf. Schrie so laut, dass ihre Klagen von den Wänden der Kirche widerhallten, als kämen sie direkt aus der Hölle. Der Pfarrer sprang herbei, hielt einen Kelch in der Hand, starrte auf die gespreizten Schenkel des Mädchens, zwischen denen ein Kindskopfzum Vorschein kam. Das Mädchen brüllte, wie es der Pfarrer noch nie gehört hatte. Ohne zu wissen, was er da tat, führte er den Kelch mit dem Abendmahlswein an seine Lippen, trank bis zum letzten Schluck.
«Der Teufel», schrie der Pfarrer nun in höchster Not. «Der Teufel dringt aus dir heraus.»
Er tauchte beide Hände in das Taufbecken, kniete sich neben das Mädchen, packte den winzigen Kopf mit beiden Händen und zog daran, so heftig er konnte. Das Mädchen schrie, schrie, schrie, dann verstummte sie plötzlich. Ihr Kopf sank zur Seite.
«Der Teufel», keuchte der Pfarrer mit wildem Blick. «Jetzt habe ich dich, jetzt kann ich dich zwingen.» Noch ein Ruck – und das Kind, der winzige Säugling, lag auf der Decke zwischen den Schenkeln seiner Mutter. Der Pfarrer japste, betrachtete einen Augenblick das blut- und schleimverschmierte Ding. Dann nahm er es auf und warf es mit aller Kraft gegen die Kirchenwand. Ohne Wimmern prallte das Kind dagegen, fiel stumm zu Boden und war tot, noch ehe es zu leben begonnen hatte. Da tauchte der Pfarrer noch einmal die Hände ins Taufbecken, klaubte den Säugling von der Erde, spuckte auf ihn. «Ich habe den Teufel besiegt»,
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