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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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«Welcher ist es denn?»
    Gustelies beugte sich ein wenig nach hinten. «Der mit der Laute und den schönen Augen.»
    Die Geldwechslerin lachte: «Du hast dir Tom ausgesucht.»
    «Tom? Wieso denn Tom?»
    Jutta verdrehte ein wenig die Augen. «So heißt der Lautenspieler.»
    Jetzt wandte sich Gustelies um. «Ach?», fragte sie. «Und du kennst ihn?»
    «Natürlich! Sie kommen jeden Tag zu mir, um das Geld zu wechseln. Nette Leute. Sind weit herumgekommen, sogar auf der Insel Britannien sind sie gewesen und haben dort vor dem König gespielt. Jetzt kommen sie aber direkt über das Frankenreich aus dem Land der Spanier.»
    «Ach was? Und nun spielen sie in Frankfurt am Rande des Marktes? Na ja, das sieht nicht gerade nach einer erfolgreichen Laufbahn aus.»
    «Still, Hella», fuhr Gustelies sie an. «Du verstehst nichtsdavon. Künstler wie Tom gehen nicht nach dem Geld und dem Ruhm, sondern leben einzig für ihre Kunst.»
    «Na, dann   …», meinte Hella und zuckte mit den Achseln.
    «Und was wollt ihr jetzt von den Gauklern?», fragte Jutta.
    Hella neigte sich zu ihr und raunte ihr ins Ohr: «Wir sind auf der Suche nach Leuten, die zu ihren Bekannten sowohl eine Wanderhure, einen Gewandschneider und einen lutherischen Pfarrer zählen. Viele sind uns nicht eingefallen, aber die Musiker gehören dazu. Wir wollen sie befragen.»
    «Befragen also. Das fahrende Volk ist misstrauisch. Um ihnen Neuigkeiten zu entlocken, müsst ihr schon mehr aufbieten als zwei hübsche Gesichter. Von Tom zum Beispiel weiß ich, dass er sehr unter dem Tod der alten Wahrsagerin leidet. Sie hat wohl für die Truppe gekocht. Die junge Wahrsagerin kocht auch, aber eben nicht immer genießbar.» Jutta Hinterer warf lachend ihr langes rotes Haar nach hinten, das unter ihrer Haube hervorlugte. «Liebe geht durch den Magen, nicht wahr, Gustelies?»
    «Und ob!», erwiderte diese. «Und ich weiß auch, was wir machen!»
    «Was denn?», fragte Hella neugierig.
    «Die Gaukler spielen heute Abend auf einem Fest, welches die Kirche St.   Markus gibt. Heute ist der Namenstag ihres Heiligen, der fünfundzwanzigste April.»
    «Vorher weißt du das?», fragte Hella verwundert.
    «Weil ich einem Priester den Haushalt führe, deshalb. Wir drei gehen heute Abend gemeinsam auf das Fest. Und weil du, Jutta, den Tom gut kennst, kannst du ihm schon mal ausrichten, dass ich ihm einen Kuchen backen werde. Es wäre doch gelacht, wenn wir nicht alles in Erfahrungbrächten, was diese Leute wissen!» Gustelies sprach es, fasste Hella am Arm, nickte der Geldwechslerin zu und eilte hinüber zum Markt, um die Zutaten für den Kuchen einzukaufen.
    «Du solltest ebenfalls einkaufen», erklärte sie unterwegs ihrer Tochter. «Heinz wird es nicht gern sehen, wenn wir heute Abend zu diesem Fest gehen. Aber er kann leider nicht mitkommen. Ein Mann stört in diesem Falle ohnehin. Und einer, dem sein Beruf ins Gesicht geschrieben steht, erst recht. Back ihm einen Kuchen, damit er besänftigt ist.»
    «Aber Heinz liebt das fahrende Volk. Nur zu gern hört er ihren Geschichten zu.»
    Gustelies dachte kurz nach, dann stimmte sie zu: «Meinetwegen nimm Heinz mit, Pater Nau wird sicher auch dort sein. Ich werde mit Juttas Hilfe Bekanntschaft mit den Gauklern schließen. Du dagegen lässt dir von der Wahrsagerin aus der Hand lesen und fragst sie unauffällig aus.»
    Noch einmal sah Gustelies zu den Gauklern und betrachtete unauffällig Toms Hose aus braunem Leder und die Weste des Schellenkranzschüttlers, die ebenfalls aus braunem Leder war.

Kapitel 22
    Das Mädchen lief, bis es die Gassen hinter sich gelassen hatte. Ihr rechter Knöchel schmerzte, denn sie war beim Sprung aus dem Fenster nicht richtig aufgekommen.
    Hinter der letzten Kate hielt sie an, setzte sich an den Wegrand und wartete. Es dauerte nicht lange, bis sie einen Reiter nahen hörte. Sie sprang auf und stellte sich mitten auf den Weg.
    Der Reiter – es war Sebastian – zügelte sein Pferd so heftig, dass es vorne aufstieg. «Was soll das?», rief er, aber als sein Blick auf das Mädchen fiel, wurde sein Gesicht freundlicher. Er stieg vom Pferd, trat zu ihr und strich mit einer Hand leicht über ihr Gesicht.
    «Du hast auf mich gewartet?», fragte er.
    Das Mädchen nickte.
    «Deine Tante sagte mir, du wärest zurück in dein Elternhaus gegangen, aber ich habe ihr nicht geglaubt. Im Flur hing ein Umhang, der der Hebamme viel zu klein sein müsste.»
    Er lachte ein wenig, und auch das Mädchen lächelte. Da griff der

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