Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
tippe auf Leder.»
    «Hmmm», machte der Richter und kratzte sich am Kinn.
    «Erstickt mit einem Teil aus Leder. War der Täter ein Gerber? Ein Täschner? Ein Handschuhmacher? Ein Metzger oder Goldschmied oder ein anderer, der während der Arbeit eine Lederschürze trägt? Ein Feuerknecht vielleicht? Jemand, der dicke lederne Handschuhe braucht?»
    «Nun», erklärte der Leichenbeschauer. «Das herauszufinden ist Eure Aufgabe. Wichtig wäre nur zu wissen, ob die beiden Leichen davor ebensolche Male um Mund und Nase aufwiesen. Ich denke, wir sind nun fertig. Kann ich gehen?»
    Heinz Blettner nickte, rief den Scharfrichter herbei, dann notierte er sich in aller Eile das, was er vom Leichenbeschauer gehört hatte.
    Hella und Gustelies standen noch immer still und hingen ihren Gedanken nach. Schließlich erklärte Hella: «Ich erinnere mich noch gut an den Gewandschneider. Auch er hatte Abschürfungen um Mund und Nase.»
    Sie sah den Scharfrichter an, und dieser nickte. «Stimmt. Ich habe damals sogar darauf hingewiesen. Und einen Lederbeutel hatte er auch dabei.»
    Plötzlich stieß Hella ihre Mutter an. «Wir gehen heute auf den Markt und zu den Gauklern», sagte sie.
    Gustelies nickte. «Es sind noch gebackene Kalbshirnscheiben von gestern übrig. Heute muss ich sie nur zum Aufwärmen an den Herd stellen.»
    «Wieso zu den Gauklern?», fragte Richter Blettner und schüttelte den Kopf.
    Gustelies lächelte: «Wir suchen noch immer jemanden, der alle drei Toten gekannt haben könnte, nicht wahr? Feuerschlucker haben oftmals lederne Schürzen an, handeln zuweilen mit Leder, welches sie aus Spanien mitgebracht haben, und sie kennen alle möglichen Leute, ganz ohne Unterschied zwischen arm und reich, klug und dumm, alt und jung, männlich oder weiblich.»
    Hella fügte nachdenklich hinzu: «Der Mörder muss ein Mann gewesen sein. Nur ein Mann hat die Kraft, einen anderen Mann zu ersticken. Eine Frau schafft das nicht.»
    Gustelies sah hoch, betrachtete ihre Tochter, als hätte sie diese noch nie zuvor gesehen, dann blickte sie hinauf zum Himmel und nickte plötzlich.
    «Was ist?», fragte Hella.
    «Nichts», erwiderte ihre Mutter. «Ich muss noch darüber nachdenken. Doch jetzt lass uns zu den Gauklern gehen.»
     
    Eine Stunde später, den Kopf noch voll von dem, was sie vom Leichenbeschauer erfahren hatten, schlenderten Hella und Gustelies über den Markt. Sie ließen die Stände mit Stoffen, Hauben, Tuchen und Spangen links liegen, prüften keine Kohlköpfe, keine Butter, kosteten weder von der angebotenen Wurst noch vom Käse. Ihr Ziel war der Rand des Marktes, wo die Gaukler lagerten.
    Eine kleine Truppe in bunten Gewändern, die Gesichter mit Bleiweiß zur Maske geschminkt, gab dort seine Kunststücke zum Besten. Eine junge Frau mit dunklem Haar und einer Kette aus fremdländischen Münzen am Arm tanzte, ein Mann in den besten Jahren spielte die Laute, ein anderer, ebenso alter, schüttelte den Schellenkranz.
    Eine kleine Menge Menschen umstand die Gaukler, klatschte in die Hände, feuerte die Frau an, schneller zu tanzen, damit ihre Röcke höher flogen.
    «Was guckst du denn so?», wollte Hella wissen.
    «Da, sieh den Lautenspieler. Ist er nicht wunderschön?»
    Hella sah hin, schob abschätzend die Unterlippe vor. «Nicht schöner und nicht hässlicher als die meisten anderen Männer in seinem Alter.»
    «Pfft», machte Gustelies, und Hella sah, dass sie ihre Mutter gekränkt hatte.
    «Er hat schöne braune Augen», sagte sie schließlich. «Und das gewellte Haar mit den vielen grauen Strähnen sieht auch nicht schlecht aus. Es passt zu ihm. Am schönsten aber finde ich das Leinenhemd mit den vielen Rüschen dran.»
    «Du hast recht», erklärte Gustelies strahlend. «Er ist einfach schön. Alles an ihm ist schön. Hach!»
    Während Hella ihre Mutter argwöhnisch von der Seite betrachtete, ihre glänzenden Augen und die leichte Röteihrer Wangen, war unbemerkt Jutta Hinterer hinzugekommen.
    «Ach, hier seid ihr!», tat sie laut kund. «Ich sah euch vorhin über den Markt gehen, aber nirgendwo stehenbleiben. Was treibt ihr bei den Gauklern?»
    Hella erklärte: «Mutter ist gerade mal wieder dabei, sich unsterblich zu verlieben, und ich will einen Mord aufklären.»
    Gustelies warf ihrer Tochter einen warnenden Blick zu. Misch dich nicht in meine Angelegenheiten, hieß das. Und außerdem: Wir sprechen uns noch, aber auf keinen Fall vor Jutta.
    «Aha!», meinte Jutta und stieß Gustelies von hinten ein wenig an.

Weitere Kostenlose Bücher