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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Patrizier in seine Satteltasche und holte ein kleines Kästchen daraus hervor. «Da», sagte er. «Das ist für dich, meine stumme Schöne.»
    Das Mädchen nahm das Kästchen, öffnete es. Zum Vorschein kam eine versilberte Haarspange. Sie drehte denSchmuck hin und her, ihre Finger strichen über das kühle Metall.
    «Freust du dich nicht?», fragte Sebastian.
    Das Mädchen nickte heftig mit dem Kopf. Dann aber trat sie zu ihm und küsste ihn auf die Wange.
    Er zog sie an sich, ganz dicht. Und sie hob ihren Kopf, sah ihm in die Augen, und wieder war ihr dabei, als hänge ihr Blick an Fäden, die sie zu ihm zogen. Dicht, immer dichter, bis sich schließlich seine Lippen auf ihren Mund senkten. Sein Kuss schmeckte warm und sonnig, die Lippen lagen weich auf ihren. So weich und zart wie Mohnblütenblätter, dachte sie. Dann aber wurde sein Kuss heftiger, und ihre Gedanken flogen im Abendwind davon.
    Als die Glocken der nahen Kirche zur Abendmesse riefen, fuhren die beiden erschrocken auseinander. «Ich muss zurück in die Stadt», erklärte Sebastian. «Aber ich möchte dich unbedingt wiedersehen. Nein, ich muss dich wiedersehen.» Seine Stimme war weich und leise, als er dies sagte. Seine Blicke glitten wie Liebkosungen über ihr Gesicht.
    «Morgen?», fragte er.
    Das Mädchen nickte.
    «Nach dem Mittagsläuten?»
    Wieder nickte sie.
    «Ich warte am Waldrand auf dich.»
    Mit diesen Worten zog er sie noch einmal dicht zu sich heran, küsste sie, dann schwang er sich auf sein Pferd und ritt davon. Wie gestern sah ihm das Mädchen nach. Wenn er sich umdreht und mir winkt, dachte sie, dann ist alles gut. Dann werde ich morgen zum Waldrand gehen.
    In diesem Augenblick wandte er sich um, riss sein Barett vom Kopf und schwenkte es übermütig hin und her. Da hob auch das Mädchen die Hand zum Gruß.
     
    Als sie nach Hause kam, saß die Hebamme in ihrer Kammer und wartete auf sie.
    «Du hast ihn getroffen, nicht wahr?», fragte sie das Mädchen. «Ich brauche dich nur anzusehen. Du strahlst wie die Sonne am Mittag. Und deine Lippen sind rot. Du hast ihn also auch geküsst.»
    Das Mädchen lächelte, senkte dann aber den Kopf. Die Hebamme griff nach ihrer Hand, bog die Finger auseinander und erblickte die silberne Spange.
    «Hast du die von ihm?» Die Hebamme seufzte, betrachtete das Mädchen lange. Dann sagte sie leise: «Ich habe dich noch nie so glücklich gesehen. Und ich gönne dir dein Glück von Herzen. Aber ich weiß, dass er dich schon bald verlassen wird. Einen Dreck wird es ihn scheren, was aus dir wird. Kummer und Leid möchte ich dir ersparen.»
    Die Hebamme stand auf, trat zu ihr und strich ihr über die Wange. «Versprich mir, dass du dein Herz nicht an ihn verschenkst!»
    Das Mädchen sah die Hebamme mit glühenden Augen und geröteten Wangen an. Ihre Lippen wirkten voll und sinnlich. Mit einem erneuten Seufzer verließ die Hebamme die Kammer des Mädchens.
    Am nächsten Mittag, das Läuten war gerade verklungen, legte sich die Hebamme, die schon wieder unter dem Wetter litt, ein wenig hin. Das Mädchen aber machte sich auf den Weg zum Waldrand. Sie hatte sich am Morgen das Haar gewaschen und mit Essig gespült, damit es glänzte. Jetzt lief sie durch die warme Mittagssonne. Die Gassen lagen verlassen. Nicht einmal die Hühner wühlten im Dreck, sondern hatten sich schattige Plätze unter den Bäumen gesucht. Die Sonne flimmerte über den Feldern und Wiesen. Jeder Schritt, den das Mädchen tat, wirbelte den Staub der Gassehoch, legte sich über ihre Füße und Beine. Doch das Mädchen spürte nichts von der Last des Tages. Sie fühlte nur, wie ihr das Herz vor Vorfreude gegen die Rippen trommelte, als könne es nicht erwarten, Sebastian wiederzusehen. Schnell und immer schneller lief das Mädchen. Ihre Füße trugen sie dorthin, wo er auf sie warten wollte.
    Sebastian war schon da, hatte das Pferd an einen Baum gebunden, vor sich ein Leinentuch, auf dem kleine Kuchen, kandierte Früchte, eine Kanne Wein und zwei silberne Becher standen.
    Er küsste sie. «Du schmeckst süßer als jedes Törtchen, berauschender als Mohnsaft», sagte er und zog sie zu sich in den Schatten der Bäume.
    Das Mädchen betrachtete die Früchte. Einmal hatte sie Derartiges in der Stadt gesehen, aber das war lange her. Gekostet hatte sie noch nie davon.
    Sebastian bemerkte ihren Blick und nahm eine Frucht, die er ihr an die Lippen führte. Das Mädchen schloss die Augen, schmeckte eine Süße, die ihr wie Honig im Mund zerfloss, dazu

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