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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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ganz und gar freiwillig zum Weib geworden war. Sie sah ihm in die Augen, und diesmal schien es, als hinge sein Blick an ihr wie an Fäden. «Versprich mir, dass du mich lieben wirst, solange die Welt sich dreht», flüsterte sie. «Tust du es nicht, so wird mein Fluch über dich kommen.»
    Der junge Mann lachte, sah nicht, dass ihre Augen sich verdunkelt hatten. «Ja, solange die Welt sich dreht und darüber hinaus. Vom Himmel bis zur Hölle und wieder zurück in alle Ewigkeit.»
    «Das ist gut», flüsterte sie und hielt ihn so fest, dass er nach Atem rang. Sie nährte ihn mit ihrem Atem, hielt noch immer seinen Körper umschlungen. Als der feine Seidenstoff nicht mehr zwischen ihnen lag, nahm sie den Rhythmus seines Körpers auf, wurde eins mit ihm im uralten Tanz der Liebe und des Begehrens.

Kapitel 23
    «Nun? Was liest du aus meiner Hand?»
    Hella saß einer Wahrsagerin auf einem Schemel gegenüber und hielt ihr die linke Hand entgegengestreckt. Die Wahrsagerin, eine noch junge Frau mit leuchtenden, bodenlangen Röcken und Bronzeringen in den Ohren, legte einen Finger über beide Lippen.
    «Still! Ich muss nachdenken. Genau lesen, damit ich nichts Falsches sage.»
    Hella wurde die Zeit lang. Im Grunde wollte sie nicht wissen, was in ihrer Hand zu lesen war. Unfug und Aberglaube, dachte sie. In Wirklichkeit aber hatte sie Angst. Angst vor dem, was zutage kommen würde. Wer wollte schon wissen, dass ihm ein früher Tod beschieden war oder eine lange, schmerzhafte Krankheit? Wer wollte wissen, dass er kinderlos bleiben würde oder der Mann früh starb? Niemand. Hören wollten alle nur das, was sie sich selbst wünschten.
    «Also?»
    «Gleich, junge Frau.»
    Ringsum wurde der Namenstag des heiligen Markus gefeiert. Zu Beginn hatte ein festlicher Gottesdienst stattgefunden. Mönche aus dem nahen Kloster hatten die Statue des Markus feierlich durch die Kirche getragen, auf dass die Gläubigen den feingeschnitzten Mantelsaum berühren konnten. Dann kam die Predigt, danach das Abendmahl.
    Nun waren im Kirchhof Tische und lange Bänke aufgestellt,zwei Garküchen verbreiteten den Geruch nach Fett und Gebratenem. Fässer mit Wein wurden geleert, und auch das Bier floss reichlich. Obwohl es April war, herrschte an diesem Abend eine laue Frühlingsstimmung vor. Die Sonne verabschiedete sich von der Bühne des Tages mit einem glühenden Abgang. Der Wind zupfte sanft an den Birkenblättern wie ein Musikus an seiner Harfe.
    Heinz saß mit Pater Nau vor einer Kanne Wein auf einer der hölzernen Bänke. Daneben, aber ein kleines Stück entfernt, saßen sich Gustelies und die Hintererin gegenüber. Gustelies war sichtlich angespannt und hielt den Kuchen auf ihrem Schoß mit beiden Händen, während die Geldwechslerin dem Lautenspieler Tom und seinem Kollegen am Schellenkranz einen Gruß zurief und die beiden heranwinkte.
    «Jetzt, junge Herrin, weiß ich, was Euch die Zukunft bringt», teilte die Wahrsagerin mit und strahlte Hella so stolz an, als hätte sie gerade einen Sieg errungen.
    «Aha. Also. Ich höre.»
    «Seht, da ist Eure Lebenslinie. Sie ist sehr lang und nur an einer Stelle unterbrochen. Das heißt, dass Ihr alt werdet und nur eine schlimme Krankheit zu überwinden habt.»
    «Na, das ist ja ein Trost», bemerkte Hella. «Und weiter?»
    «Neben der eigentlichen Lebenslinie verläuft noch eine schmalere, die darauf hindeutet, dass Ihr noch ein heimliches Leben habt.»
    Die Wahrsagerin zwinkerte Hella bei diesen Worten vertraulich zu, bis Hella ärgerlich den Kopf schüttelte.
    «Ich nehme an, dass es sich hierbei nicht zwangsläufig um eine heimliche Liebschaft handeln muss, oder?», fragte sie ein wenig bissig.
    «Nein, nein. Ein Leben neben dem eigentlichen kann vieles bedeuten.» Die Wahrsagerin rutschte unruhig auf ihrem Schemel hin und her. «Und bei Euch, Herrin, vermag ich die Bedeutung nicht zu erraten. Eure Herzenslinie zeigt an, dass Ihr sehr treu seid. Da führen keine Seitenlinien ab, die auf heimliche Liebschaften hindeuten.»
    «Na also. Was noch?»
    «Kinder. Ich sehe zwei Kinder in Eurer Hand.»
    «Oh! Bleiben sie gesund? Oder verliere ich sie bald? Wann werden sie kommen?»
    Die Wahrsagerin schüttelte den Kopf. «Das, Herrin, steht nicht in Eurer Hand geschrieben. Aber Gott, der Herr, wird es schon richten.»
    Plötzlich war Hella beklommen zumute. Zwei Kinder, hatte die Wahrsagerin gesagt. Zwei Kinder. Aber wann?
    «Sag, Wahrsagerin, verkaufst du auch Mittel, die dem Kinderwunsch nachhelfen sollen?»,

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