Galgentod
man seinem ärgsten Feind nicht auf Mühle geben. Schnur sollte schon mal neue Pläne schmieden, seinen Lebensstandard einschränken und sich auf Hartz IV einstellen.
Aber das war nicht alles, was ihn grämte. Es wollte ihm einfach nicht gelingen, in Fred Recktenwald einen brutalen Mörder zu sehen.
Warum war Norbert Kullmann nicht hier?
Verzweifelt rieb er sich über sein Kinn. Und zu seinem Pech stellte er auch noch fest, dass die ersten Bartstoppeln wieder durchkamen. Er griff in seine Schreibtischschublade, wo der kleine elektrische Rasierer lag, und wollte dem ersten Wuchs den Garaus machen, als sein Telefon klingelte.
Erstaunt hob er ab. Seine Frau meldete sich. Schnur hatte Mühe, nicht den Hörer fallen zu lassen.
»Seit wann ist deine Arbeit so wichtig, dass du sonntags arbeiten musst?«
Der Tonfall verriet alles. Ihre Ehe bröckelte. Und Schnur war schuld daran. Immer hatte er seine Familie an vorderste Stelle gerückt. Egal, welche Karriereversprechen ihm gegeben worden waren. Für ihn galt zuerst die intakte Familie.
Bis Ann-Kathrin in sein Leben trat.
Er brauchte zu lange mit der Antwort. Das merkte er erst daran, als es Klick in der Leitung machte. Seine Frau hatte aufgelegt.
Das durfte er nicht zulassen. Er musste sich zusammenreißen, musste sich wieder seiner Frau zuwenden, die trotz zwei Kindern und einem Alter von über fünfzig Jahren immer noch bildhübsch war.
Hastig begann er zu wählen.
Doch wer sich dann am anderen Ende meldete, ließ ihn ernsthaft an seinem Verstand zweifeln. Die erotische, dunkle, rauchige Stimme von Ann-Kathrin drang an sein Ohr. Er schaute auf das Display seines Telefons. Dort erkannte er, dass er ihre Nummer gewählt hatte, anstatt die von zuhause.
Soweit war es schon mit ihm: Das Wählen der Telefonnummer seiner Geliebten war schon zum Automatismus geworden.
Vergessen waren alle guten Vorsätze. Jetzt galt es nur, dieser Frau näher zu kommen. Wie ein verliebter Pennäler fühlte er sich, als er mit wildem Herzklopfen ein Date mit ihr vereinbarte.
Kapitel 61
Leise Stimmen drangen durch das Treppenhaus.
Erik ahnte schon etwas. Und mit jeder Stufe, die er höher und höher stieg, um in den fünften Stock zu seiner Wohnung zu gelangen, wurden die Stimmen lauter. Oben angekommen sah er sich vor Mirna Voss und Yannik Hoffmann.
Sofort kam ihm ein guter Einfall.
Er nahm Yanniks Handy aus seiner Hemdtasche und sagte: »Wir machen einen Tausch: Ich bekomme meinen Wohnungsschlüssel zurück und du dein Handy.«
»Ich habe deinen Wohnungsschlüssel nicht«, kam es unfreundlich von Yannik. Er wollte nach dem Handy greifen, doch Erik zog seine Hand zurück: »So nicht! Ich sagte: Handy gegen Wohnungsschlüssel. Egal, wer von euch beiden den hat.«
Mirna versuchte sich an Eriks Körper anzuschmiegen, doch Erik widerstand ihrem Annährungsversuch. Ihre ganze Erscheinung war wieder einmal eine einzige Sünde. Das Top so kurz, dass der untere Teil ihrer Brüste darunter hervor lugte. Die Hot Pants so hochgeschoben, dass die Hälfte ihres Pos zu sehen war. Erik durfte jetzt nicht daran denken, was er in der Nacht alles von ihr zu sehen bekommen hatte. Mirna war schärfer als alles, was er bisher erlebt hatte. Und in seiner Sturm- und Drangzeit in Köln hatte er eine Menge zu sehen bekommen.
»Ich habe jetzt lange genug gewartet«, brummte er betont unfreundlich, um sich diese Frau auf Abstand zu halten. »Wenn ihr nicht einverstanden seid – bitte! Dann muss ich mich um ein neues Schloss kümmern und Yannik sich um ein neues Handy.«
Endlich gelang es ihm, eine Reaktion aus den jungen Leuten herauszukitzeln. Zornig brüllte Yannik Mirna an: »Gib ihm verdammt noch mal den Schlüssel! Was willst du damit? Du hast dein Vergnügen gehabt.«
Mirna zog eine Schnute, während sie unentwegt ihren Blick auf Erik haften ließ. »Ich bin nicht wirklich zu meinem Vergnügen gekommen«, gurrte sie. »Ich will nämlich noch viel mehr.«
»Und ich will meinen Wohnungsschlüssel.« Erik ging nicht auf ihre Verführungstaktik ein.
Mirna bemerkte seine Standhaftigkeit. Mit enttäuschtem Gesichtsausdruck zog sie den Schlüssel aus der Hosentasche ihrer Hot-Pants und reichte ihn Erik.
Als Gegenleistung händigte Erik das Handy an Yannik aus, der daraufhin mit einem abfälligen Schnauben in seiner Wohnung verschwand.
Erik sperrte seine eigene Wohnungstür auf, trat in seine Vierzig-Quadratmeter-Bude und warf die Tür hinter sich zu.
Dass die Tür sehr verzögert ins Schloss
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