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Galgentod

Galgentod

Titel: Galgentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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zu gehen? Doch, das war es.
    Er hatte noch so viel tun, noch so viel sagen wollen.
    *
    Als Andrea nicht ebenso wie Schnur aus dem Dienstwagen ausstieg, bückte sich der Vorgesetzte und schaute durch die Türöffnung ins Wageninnere. Er sah die Kollegin mit dem Handy telefonieren, wobei sie aufgeregt herumfuchtelte.
    Als sie aufgelegt hatte, fragte er: »Was ist los?«
    »Ich habe eine Fahndung nach dem roten Opel herausgegeben.«
    »Andrea! Du bist eine Wucht«, brüllte Schnur in einer Lautstärke los, dass alle aufblickten. »Diesen Opel hatte ich ganz vergessen.«
    Sofort befragte er alle Kollegen, die zusammen mit dem Sondereinsatzkommando vor Mirnas Haus bereitstanden, um in das Haus einzudringen, ob sie einen solchen Wagen gesehen hatten. Aber wie zu befürchten war, hatte niemand auf einen roten Opel geachtet.
    »Was sollen wir jetzt tun? Dieses Haus stürmen?«, fragte der Leiter des Sondereinsatzkommandos.
    Schnur nickte.
    In Sekundenschnelle waren sämtliche Zimmer, Winkel und Ecken des Hauses sichergestellt, aber weder Mirna Voss noch Friedolinus Kalkbrenner noch Erik Tenes waren dort anzutreffen.
    »Noch mehr solcher Volltreffer und ich laufe Amok«, knurrte Schnur, dessen Nerven an einem seidenen Faden hingen.
    »Warte lieber ab, bis wir den Opel gefunden haben«, riet Andrea. »Wenn der uns nicht weiterhilft, dann darfst du Amok laufen.«
    *
    Seine Kräfte schwanden. Seine Arme und Beine gehorchten ihm nicht mehr. Sein Verstand versagte ihm auch den Dienst. Erik sah nur noch eine Lösung: Sich aufgeben.
    Alles, was Friedolinus Kalkbrenner prophezeit hatte, traf ein.
    Seine Beine begannen unkontrolliert zu zittern. Erik konnte sie nicht mehr stillhalten – egal, wie sehr er es auch versuchte. Seine Hände wollten nicht mehr die Schlinge halten, um noch ein wenig Luft durch die Luftröhre zu lassen. Auch sie gehorchten ihm nicht mehr. Das Zittern ging durch seinen gesamten Körper. Er fühlte sich wie eine Gliederpuppe, bei der kein Gelenk zum anderen passte. Alles wackelte und wurde immer heftiger, bis sich seine Fußballen plötzlich total zusammenkrampften. Er konnte sie nicht mehr auf dem schmalen Stück Holz des Barrens halten. Sie glitten ihm weg.
    Erik rutschte von dem Barren und hing in der Schlinge.
    Das Zittern, das seinen gesamten Körper erfasste, merkte er nicht mehr.
    *
    »Die Tür ist offen!«, schrie Andrea und riss sie gleichzeitig auf.
    »Halt! Wir müssen zuerst sichern«, rief ein Beamter der Bereitschaftspolizei.
    Doch Andrea Westrich und Jürgen Schnur waren schon in der großen Turnhalle. Sie hatten den roten Opel Corsa, der auf Friedolinus Kalkbrenner zugelassen war, an der Turnhalle des Max-Planck-Gymnasium gefunden, woraufhin sie sofort mit Großaufgebot zur Schule gefahren waren.
    Wie aufgescheuchte Hühner irrten sie durch die Flure, bis sie in die große Turnhalle gelangten.
    Was sie dort sahen, übertraf alles Erwartete. Dort hing Erik an einem langen Seil, das an der hohen Decke befestigt war. Sein ganzer Körper wurde von Krämpfen geschüttelt.
    Im rechten Augenwinkel nahm Schnur noch etwas war. Dort saß jemand auf einem Stuhl. Aber das registrierte er kaum.
    Was er sah, war Erik.
    »Er lebt noch!« Seine Stimme überschlug sich. Wie von Furien gehetzt rannte er auf den Barren zu, wollte draufspringen, doch die Kollegen der Bereitschaftspolizei waren schneller. Sie stießen Schnur zur Seite, erklommen die schmalen Barren zu zweit. Einer hob Eriks Körper an, der andere schnitt das Seil durch. Doch kaum war der Strick abgetrennt, fiel Eriks Körper in rasender Geschwindigkeit in Richtung Boden. Aber auch daran hatten die Kollegen gedacht. Zu mehreren standen sie dort, fingen ihn auf und legten ihn sachte auf den Boden.
    Jetzt erst konnte sich Schnur seinem Mitarbeiter nähern.
    Eriks Augen waren geschlossen. Von seinem Zittern war nichts mehr zu sehen. Reglos lag er da. Schnur kniete sich vor ihn, entfernte die tödliche Schlinge und fasste nach seinem Puls. Er fühlte nichts. Seine Hände zitterten. Sollte Erik hier qualvoll gestorben sein, weil er, der große Dienststellenleiter, bei den Ermittlungen einen Fehler gemacht hatte? Das durfte nicht wahr sein. Schnur spürte eine Hoffnungslosigkeit, die ihn zerriss.
    Dann spürte er noch etwas. Eine Hand, die seine beiseiteschob. Er schaute auf und in das Gesicht eines Kollegen der Bereitschaftspolizei.
    Im Hintergrund murmelte jemand: »Der Krankenwagen ist schon unterwegs.«
    Dann kann der Satz, auf den Schnur gehofft

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