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Galgentod

Galgentod

Titel: Galgentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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Zittern zu konzentrieren. Er musste sich selbst Mut zureden. Aber es wollte ihm nicht gelingen.
    Es wurde immer dunkler, seine Panik immer größer, seine körperliche Verfassung immer schlechter. Es kam tatsächlich genauso, wie es Friedolinus Kalkbrenner ihm prophezeit hatte.
    Sein Atem wurde hastig. Das musste er verhindern, denn er bekam nicht genug Luft. Die Schlinge engte seine Luftröhre bereits ein. Er versuchte zu zählen, um sich zu beruhigen. Das klappte nur bedingt, denn ständig verzählte er sich, worüber sich ärgerte. Plötzlich glaubte er, lachen zu müssen. Aber es wurde nur ein merkwürdiges Pfeifen. Welche Probleme er gerade hatte? Als wäre es von Bedeutung, dass er sich verzählte.
    Er versuchte zu erkennen, ob das Tageslicht schwand. Oder ob es an seinen Augen lag. Es wurde immer dunkler. Sein Sichtfeld engte sich immer mehr ein, seine Sehfähigkeit begann zu leiden.
    Brach die ewige Dunkelheit über ihn herein?
    *
    Auf dem Weg nach Saarlouis hörten sie immer wieder neue Meldungen über Funk. Alle Polizeibeamten waren mobilisiert worden, um Erik zu suchen. Aber Ergebnisse hatten sie bisher noch keine. Andrea saß am Steuer und fuhr mit halsbrecherischer Geschwindigkeit, während Schnur auf dem Beifahrersitz in den Akten las, die die Lehrermorde und die Brüder Ferdinand und Friedolinus beinhalteten. Verzweifelt suchte er dort nach Hinweisen.
    »Das Haus in der Dorfstraße in Picard ist leer. Weder Spuren von Verwüstung noch sonst etwas, was auf Friedolinus Kalkbrenners Aufenthalt mit Erik als Geisel hinweist.« Das war die Mitteilung, die Anton rüberschickte, als Andrea gerade die A620 verließ und in Richtung Saarlouis abbog.
    »Wohin?«
    »Zu dem Haus in Picard«, wies Schnur an.
    »Aber dort ist Erik doch nicht.«
    »Das habe ich auch verstanden. Ich will jetzt den Weg von diesem Haus bis zu dem Müllcontainer abfahren. Vielleicht gibt uns irgendetwas auf dieser Strecke einen entscheidenden Hinweis.«
    Andrea gehorchte, setzte den Blinker und bog links ab.
    »Haben wir Mirnas Haus schon überprüft?« Erst jetzt fiel Schnur dieses Haus ein.
    »Warum Mirnas Haus?«
    »Erinnerst du dich nicht mehr daran, wie du zusammen mit Erik nach Picard gefahren bist, um Fred Recktenwald zu sprechen?«, stellte Schnur darauf eine Gegenfrage.
    Andrea fasste sich an den Kopf und stieß aus: »Klar! Der rote Opel und die merkwürdige Begegnung am Saarbrücker Unigelände.«
    »Genau.«
    »Du glaubst, dass dieser angebliche Prof der Zwillingsbruder von Fred Recktenwald war!«
    »Wieder mal ein Volltreffer«, brummte Schnur.
    »Mirnas Haus wurde bisher mit keinem Wort erwähnt.«
    Sofort griff Schnur nach dem Funkgerät und gab seine neue Anweisung heraus mit dem Zusatz, dass er selbst in Kürze dort eintreffen würde.
    Sie erreichten das Haus, das von vielen Polizeiautos, von uniformierten Polizeibeamten und von schwarz gekleideten Sondereinsatzbeamten umgeben war. Dieses Aufgebot wurde von umstehenden Schaulustigen umzingelt, die unbedingt wissen wollten, was Mirna Voss mal wieder angestellt hatte.
    *
    Die Dunkelheit lastete schwer auf Erik. Er strengte sich an, ruhig und regelmäßig zu atmen. Dabei achtete er darauf, seine Nerven zu beruhigen, was angesichts des Duftes, der ihm in die Nase stieg, nicht leicht war. Inzwischen wusste Erik, dass es Verwesungsgestank war. Es konnte nur der Mathelehrer sein, der hier irgendwo in seiner Nähe vor sich hin schimmelte. Bei dieser Hitze dauerte die Zersetzung einer Leiche nicht lang.
    Schnell versuchte Erik, an etwas anderes zu denken. Doch es gelang nicht. In seinem Kopf breiteten sich schreckliche Bilder aus. Bilder von Knochen, an denen noch Fleischfetzen hängen, Bilder von Schädeln, in denen graue Hirnmasse wabert, Bilder von knochigen Fingern, die nach seinem Hals greifen und zudrücken. Das Grauen breitete sich in ihm aus. Die Luft, sie reichte nicht aus. Seine Augen waren weit aufgerissen und doch war alles schwarz. Seine Beine zitterten, seine Finger hingen nur noch unter der Schlinge, sie wurden nach und nach immer enger eingequetscht. Seine Füße spürten den lebenserhaltenden Barren nicht mehr, auf dem der stand.
    Oder hoffte er nur noch, dass er noch darauf stand?
    Er versuchte, an der Schlinge zu zerren. Es war keine Kraft mehr da. Er spürte eine Hoffnungslosigkeit durch seinen Körper strömen, die ihm auch das letzte Quäntchen Kraft raubte.
    Fühlte sich sein Gesicht nass an?
    Vermutlich ja.
    Aber war es wirklich so traurig, von dieser Welt

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