Galgentod
durch Erhängen für dich die reinste Erlösung werden. Du wirst dich danach sehnen. So wie dein Kumpel hier.«
Erik traute seinen Sinnesorganen nicht mehr. Roch er tatsächlich den süßlichen Gestank des Todes oder bildete er sich das nur ein, weil Friedolinus Kalkbrenner davon gesprochen hatte.
Aber das wollte er nicht wissen. Was ihn viel mehr beschäftigte, war die Frage, ob er wirklich an diesem Strick in der Turnhalle enden würde. Sollte der nächste Tote, den die Schüler an dieser Schule fanden, er selbst sein? Und das nur, weil er einer zwanzigjährigen Frau auf den Leim gegangen war? Wenn er könnte, würde er sich selbst in den Hintern treten. Aber das würde ihn zu viel Kraft kosten. Lieber konzentrierte er sich auf die Schlinge um seinen Hals, die schon verdächtig eng geworden war.
»Weißt du, ich habe nicht schlecht gestaunt, als ich diesen versoffenen Mathelehrer nach all den Jahren lebend hier angetroffen habe. Bisher habe ich nicht gewusst, dass ein Mensch so lange saufen und dabei überleben kann.« Friedolinus Kalkbrenners Lachen zerrte an Eriks Nerven. Seine Füße begannen bereits zu zittern. »Vermutlich konserviert der Alkohol. Dafür, dass Günter Laug auch einer dieser Lehrer war, die sich einen Spaß daraus gemacht haben, uns Kinder zu schikanieren, dachte ich mir, helfe ich bei seinem Sterben einfach nach, bevor er noch mehr Schüler mit seiner Sauferei in den Wahnsinn treibt.«
Erik grauste. Warum erzählte er das?
»Damit wollte ich erreichen, dass ihr Schlappschwänze erkennt, dass ihr mit Fred den Falschen verhaftet habt.«
Das war wohl die Antwort.
»Aber dann kommt ausgerechnet so ein Schlappschwanz mit meiner Tochter hier rein. Eigentlich bist du selbst schuld an deinem Dilemma. Darüber solltest du mal nachdenken. Hast ja Zeit genug dafür.«
Kapitel 71
Die Tür zum Korridor des Mietshauses in der Brauerstraße erwies sich für Jürgen Schnur und Esther Weis als kein großes Hindernis. Nachdem auf das Klingeln bei Erik nichts passiert war, hatten sie eben auf andere Klingelknöpfe gedrückt, bis der Summer ohne groß nachzufragen eingeschaltet wurde.
»Soweit wären wir schon mal«, sagte Schnur und erschrak, als er hörte, wie laut seine Stimme durch das Treppenhaus schallte.
»Sagt uns das nicht, dass Erik gar nicht in seiner Wohnung ist?«, fragte Esther, die daraufhin ihre Stimme dämpfte, während sie die vielen Treppen nach oben stiegen.
»Nein. Sollte er mit Mirna Voss zusammen sein, ist es gut möglich, dass er die Klingel gar nicht gehört hat.«
Oben angekommen, lauschte Schnur zunächst an der Wohnungstür.
»Ich höre gar nichts«, gab er zu. »Das ist jetzt wirklich nicht gut.«
Er klingelte.
Nichts.
Er klingelte Sturm.
Immer noch nichts.
Er hämmerte gegen die Tür.
Das einzige, was sich regte, war die Tür zur Nachbarwohnung. Yannik Hoffmann tauchte ihm Flur auf und schaute die beiden Polizeibeamten fragend an.
»Wissen Sie, ob Erik Tenes zuhause ist?«, fragte Schnur.
»Er ist irgendwann weggefahren und nicht mehr zurückgekommen.«
Beunruhigt hakte Schnur nach:
»War er mit Mirna Voss zusammen?«
»Nein. Er war allein.«
Mit diesen Informationen mussten sie sich zufrieden geben.
Während sie die vielen Treppen wieder hinuntergingen, erklärte Schnur: »Das sehe ich jetzt als Notfall an. Egal, was am Ende dabei herauskommt. Ich will nicht verantworten müssen, dass Erik etwas passiert.«
»Soll ich eine Fahndung nach Friedolinus Kalkbrenner einleiten?«
Sie erreichten die Brauerstraße. Schnur ging um die Hausecke zum Parkplatz und sah, dass Eriks Auto nicht da war. Daraufhin befahl er: »Ja, tu das! Außerdem überprüfen wir den Handy-Standort von Eriks Handy. Und geben eine Suchmeldung raus. Ebenso nach seinem Auto. Weiß jemand das Kennzeichen von seinem neuen BMW?«
Esther schluckte. Sie hatte noch gar nicht gewusst, dass Erik ein neues Auto besaß.
»Macht nichts. Andrea wird es wissen«, spekulierte Schnur, während er versuchte, sein Handy zu bedienen.
»Ich schlage vor, du fährst und ich telefoniere«, wandte Esther ein, als sie Schnur auf dem kleinen Mobiltelefon herumdrücken sah.
Schnur willigte ein.
*
Ein verräterisches Klimpern war zu hören. Aber Erik konnte nicht sehen, was dieses Geräusch verursachte. Er regte sich, erreichte aber nichts damit.
»Du willst wissen, was ich in meinen Händen halte.«
Dieser Mistkerl konnte Gedanken lesen! Erik wurde sich seiner Hilflosigkeit mit jedem Wort, das dieser
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