Galgentod
großer Swimmingpool schimmerte blau in der strahlenden Sonne. Ein Mann war dabei, den Pool zu pflegen.
»Warum kommen Sie in dieser grässlichen Angelegenheit zu mir?«, fragte Mathilde Graufuchs unfreundlich. Sie bot den beiden nicht an, sich zu setzen.
Erik und Andrea taten es trotzdem.
»Wir müssen Ihnen ein paar Fragen stellen.«
»Ich kann Ihnen nicht helfen.«
»Das sehen wir noch.« Erik gab stoische Ruhe vor, dabei brodelte es in ihm.
Plötzlich kam ein kleiner West Highland Terrier mit lautem Gekläffe um die Ecke gesaust, stellte sich vor Andrea und Erik und fletschte seine kleinen Zähne.
»Penelope«, rief Mathilde Graufuchs, sprang von ihrem Platz hoch, packte den Hund und trug ihn aus dem Zimmer.
»Penelope! Odysseus’ Ehefrau, die sich durch ihre Treue zu ihrem Mann verewigt hat«, sagte Andrea mit einem Schmunzeln. »Ein schöner Name für einen Hund.«
»Dass Sie sich in griechischer Mythologie auskennen.« Mit diesen Worten kehrte Mathilde Graufuchs ins Zimmer zurück.
»Glauben Sie, nur weil ich Polizeibeamtin bin, wäre ich ungebildet?«, gab Andrea zurück.
Damit brachte sie Mathilde Graufuchs aus dem Konzept. Ohne zu antworten, setzte sie sich den beiden gegenüber und forderte sie auf, mit ihren Fragen zu beginnen.
»Heute wurde der normale Schulbetrieb wieder aufgenommen«, begann Erik. »Warum sind Sie nicht in der Schule? Krank sind Sie ja offensichtlich nicht.«
Mathilde Graufuchs funkelte Erik böse an und antwortete: »Ich schaffe es einfach nicht, heute schon diesen Ort zu betreten. Der Ort ist entweiht. Er ist für etwas Fürchterliches zweckentfremdet worden. Ich weiß nicht, wann ich die Schule je wieder betreten kann. Deshalb werde ich Schulausflüge der jüngeren Klassen vorverlegen und mit ihnen zur Teufelsburg fahren. Dort kann ich ebenfalls meinen Geschichtsunterricht abhalten und muss nicht an den Ort des Verbrechens zurück.«
»Geht das einfach so?«
»Ich werde mit dem Schulleiter darüber sprechen. Aber ich bin mir sicher, dass er mir zustimmen wird. Mein Unterricht ist immer von hoher Qualität – egal, wo ich ihn abhalte.«
»Gut. Das wäre also geklärt. Nun müssen wir aber auf den Tod von Bertram Andernach zurückkommen. Deshalb sind wir hier«, lenkte Erik ein.
»Wie entsetzlich! Egal, was ich tue, ich werde immer wieder daran erinnert. Gestern Abend wollte ich die Nachrichten im Fernsehen schauen, bekam aber nur diese entwürdigenden Bilder zu sehen.« Mathilde schnappte nach Luft. »Der Kollege war stets ordentlich und anständig – immer auf ein gepflegtes Äußeres bedacht und ein strenger Verfechter der Menschenwürde. Und dann passiert gerade ihm so etwas Entwürdigendes.«
Erik und Andrea horchten auf. Diese Worte ließen bei ihnen sofort die Alarmglocken klingeln.
»Würden Sie sagen, dass Bertram Andernach ein Pedant war?«
»Das Wort klingt so negativ. Er war ordentlich und verlangte das Gleiche von seinem Umfeld.«
»Gab es Schüler oder Kollegen, die seine Ansichten nicht teilten?«
Mathilde Graufuchs überlegte eine Weile, fächelte sich Luft zu, obwohl es in dem Haus angenehm kühl war und sagte dann: »Wenn Sie von mir erwarten, dass ich Ihre Arbeit mache, dann haben Sie den Weg hierher umsonst gemacht.«
Erik hatte Mühe, keinen Wutausbruch zu bekommen. Er stand von seinem Stuhl auf und ging ans Fenster. Der Blick auf den Swimmingpool wirkte beruhigend – also ließ er ihn eine lange Zeit darauf haften, bis er sagte: »Sie werden es nicht für möglich halten. Aber die Polizei kann ihre Arbeit selbst machen.«
»Das will ich hoffen«, kam es scharfzüngig zurück. »Dieser Fall gehört aufgeklärt. So eine schreckliche Tat darf nicht ungesühnt bleiben.«
»Dann wird es Ihnen doch nicht allzu viel Mühe machen uns zu sagen, mit welchen Kollegen oder Schülern Ihr verstorbener Kollege Schwierigkeiten hatte.« Dieses Mal übernahm Andrea das Gespräch. Ihrer sanften Stimme gelang es tatsächlich, dass sich die Lehrerin beruhigte. Sie ließ Ihren Blick lange auf der großen Beamtin ruhen. Andreas mandelförmige dunkle Augen erwiderten den Blick, ohne die geringsten Empfindung zu verraten.
»Sie sind gut«, gestand Mathilde Graufuchs zur Überraschung beider. »Ihr diplomatisches Geschick wäre in anderen Berufen sinnvoller als bei der unterprivilegierten Polizeiarbeit. Bei den Subkulturen unserer Gesellschaft ist Ihre Fähigkeit Verschwendung.«
Die Stille, die daraufhin eintrat, war geladen. Niemand wagte sich zu atmen,
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