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Galgentod

Galgentod

Titel: Galgentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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bis Andrea die Situation entschärfte: »Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor. Kriminalkommissar oder Kriminalkommissarin ist eine Amtsbezeichnung von Polizeivollzugsbeamten der deutschen Polizei in der Laufbahn des gehobenen Polizeivollzugsdienstes. Es ist also nicht angebracht, unsere Arbeit zu diskriminieren.«
    »Ich spreche nicht von Ihren Dienstgraden.«
    »Sondern?«
    »Von den Menschen, mit denen Sie sich abgeben müssen.«
    »Im Augenblick muss ich mich mit Ihnen abgeben.«
    Diese Antwort saß.
    Mathilde Graufuchs wurde grau im Gesicht. Sie fächelte sich noch heftiger Luft entgegen, doch es kehrte keine Farbe zurück.
    »Wie wäre es, uns jetzt zu sagen, mit welchen Lehrern oder Schülern Ihr verstorbener Kollege Schwierigkeiten hatte?«, erinnerte Andrea an ihre anfangs gestellte Frage.
    »Da gibt es leider eine ganze Menge«, gestand Mathilde Graufuchs nach langer Bedenkzeit. »Die jüngeren Kollegen haben seine Lehrmethoden kritisiert. Aber damit konnte niemand an Bertram Andernach heran. Er war von seiner Arbeit so überzeugt, dass Kritik an ihm abprallte.«
    »Und Schüler?«
    »Da gab es größere Spannungen. Er bestand auf Disziplin, legte großen Wert darauf, dass seine Schüler seinen Maßstäben gerecht wurden, was nicht jedem gelang. Dadurch gab es Schulabgänge, die nicht immer still und leise verliefen.«
    »Wie können Schulabgänge denn sonst verlaufen?«
    »Es ist das Internet, das uns Lehrern das Leben so schwer macht.« Mathilde Graufuchs atmete heftiger. »Immer wieder wurde er im Internet diffamiert. Die richtigen Namen, die hinter den Verleumdungen steckten, konnten wir nur erahnen. Durch die Möglichkeit, sich ein Pseudonym zuzulegen, können sich die Schüler doch alles erlauben.«
    »Nicht ganz. Solche Seiten werden überwacht«, entgegnete Andrea, die durch ihre Tochter über diese Internet-Foren bestens aufgeklärt war.
    »Sie müssen es ja wissen.«
    Andrea lachte nur. Ihre familiäre Situation ging diese Frau nichts an. Also fragte sie weiter: »Können Sie mir Namen von Schülern nennen, deren Schulabgang besonders dramatisch verlief? Vielleicht Rausschmiss oder Abi versiebt oder so.«
    »Das fällt mir auf Anhieb nur eine ein.«
    »Und zwar?« Andrea nervte es, dieser Frau alles aus der Nase ziehen zu müssen.
    »Mirna Voss.«
    Plötzlich stand Erik neben Andrea und starrte die alte Frau an.
    »Sagten Sie Mirna Voss?«, hakte er nach.
    »Haben Sie etwas an den Ohren? Sie sollten sich vielleicht die Haare mal schneiden lassen.«
    »Was war mit ihr geschehen?«, fragte Andrea hastig, damit Erik keine Gelegenheit bekam, auf die freche Anspielung zu reagieren.
    »Sie hat das Abitur nicht geschafft. Ihre Intelligenz hat wohl nicht gereicht. Hat aber bei jeder Gelegenheit dem Deutschlehrer die Schuld daran gegeben. Sie hat geschworen, sie würde sich an ihm rächen. Außerdem hat sie es sich nicht nehmen lassen, angebliche Sprüche von Bertram Andernach ins Internet zu setzen.«
    »Es muss einen Grund geben, warum sie so reagiert hat«, überlegte Erik laut. »Schlechte Leistungen sieht man ein. Aber so, wie Sie diesen Fall schildern, ist mehr vorgefallen.«
    »Mirna kam aus der Gosse und hätte dort auch bleiben sollen.«
    »Wie bitte?«
    »Sie kennt ihren Vater nicht, ihre Mutter hat sie mit zwölf Jahren sitzen lassen, weil die sich lieber mit Männern amüsierte, und bei der Oma hat Mirna keinerlei Erziehung erfahren, weil die Oma damals schon viel zu alt war. Mirna schlägt ihrer Mutter nach. Und dafür braucht sie kein Abitur.«
    »Ach! Entscheidet die Herkunft darüber, ob jemand das Recht auf eine gute Schulbildung hat?« Erik kochte innerlich.
    Andrea spürte seine Verfassung und wandte sich schnell an Mathilde Graufuchs mit der Frage: »Hat Bertram Andernach Mirna benachteiligt?«
    »Niemals! Das hat sich dieses junge Ding nur selbst ausgedacht.«
    »Wir werden das junge Ding danach fragen müssen«, entschied Erik und steuerte die Haustür an.
    »Da rate ich Ihnen, vorsichtig zu sein. Dass Mirna gefährlich ist, wusste ich schon immer. Aber wenn ich mir überlege, wie der Kollege enden musste … Das übertrifft sogar meine Vorstellungen von dem, was ich Mirna zugetraut hätte.«

Kapitel 20
    Die Klimaanlage leistete gute Arbeit. Kühle Luft erfüllte das Wageninnere. Die Hitze blieb draußen. Jürgen Schnur fuhr den Dienstwagen gemächlich über die Autobahn nach Saarlouis. Umzusehen brauchte er sich dabei nicht, denn rechts und links der Autobahn A620 gab es

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