Galgentod
wurde.«
»Dann habe ich wohl kein gutes Alibi.« Fred zuckte mit den Schultern.
»Sie haben genau genommen gar kein Alibi.«
Kapitel 45
Kleine, bunte Blümchen starrten ihn von allen Seiten an – als wollten sie ihn auslachen. In der Morgensonne leuchteten sie noch aufdringlicher. Es wurde höchste Zeit, dass er zumindest mal einen Tapetenwechsel vornahm, überlegte Günter Laug und öffnete seine nächste Bierflasche. An vielen Stellen war sie schon vergilbt, an anderen verblasst. Wie lange zierte diese Tapete schon die Wände? Wenn er es sich genau überlegte, hatte sein Vater sie noch vor seinem Tod angebracht.
Er konnte es nicht glauben.
Eigentlich sah es lächerlich aus, dass ein erwachsener Mann sich mit einem solch kindischen Tapetenmuster umgab. Aber als Junggeselle – oder inzwischen alternder Junggeselle – konnte ihm das egal sein. In sein Leben würde keine Frau mehr treten. Als er noch jünger war, hatte ihm diese Erkenntnis etwas ausgemacht. Heute nicht mehr. Schon lange nicht mehr.
Und wer wusste schon, wie lange er noch lebte?
Andernachs Tod lag nun schon fünf Tage zurück. Und der Tod der Geschichtslehrerin keine vierundzwanzig Stunden.
Die alte Hexe sollte ihm gleichgültig sein. Sie hatte nicht nur die Schüler, sondern auch ihre Kollegen schikaniert. Und an ihm hatte sie sich regelmäßig ausgetobt.
Jetzt war sie tot und er konnte sich nicht darüber freuen.
Das lag wohl daran, wie sie zu Tode gekommen war. Und zu welchem Zeitpunkt. Lief hier ein heimtückischer Mörder herum, der Lehrer abmurkste?
Laug trank in hastigen Schlucken.
Wenn ja, warum? Übte jemand Vergeltung?
Das Bier schmeckte ihm nicht mehr. Mit wankenden Schritten ging er zu dem alten Schrank, der ebenfalls noch aus Zeiten stammte, als seine Mutter hier gelebt und an ihrem Sohn ihre erzieherischen Maßnahmen getestet hatte. Dort suchte er nach einer geeigneten Spirituose. Zum Glück bekam er immer solche exklusiven Geschenke wie Schladerer oder Courvoisier oder was er sonst noch alles in seiner geheimen Schatztruhe fand. Ein Lächeln breitete sich bei dem Anblick in seinem Gesicht aus. Welchen edlen Tropfen wollte er sich nun gönnen?
Es klingelte an seiner Tür.
Erschrocken verschloss er den Schrank wieder. Sollte er wirklich die Haustür öffnen? Wer wusste schon, wer ihm dort auflauerte?
Zögerlich näherte er sich der Tür. Der Mittelteil bestand aus milchigem Glas. Trotz des unscharfen Bildes, das durchschimmerte, konnte er den Kollegen Manfred Dobler erkennen. Seine Glatze glänzte verräterisch.
Nur widerwillig öffnete Laug die Tür. Der Kollege war ihm lästig. Dobler verstand es, jeden innerhalb kürzester Zeit mit seiner Selbstverherrlichung zu nerven. Seit Bertram Andernachs Tod prahlte er ständig, wie er die wildgewordenen Schüler davon hatte abhalten können, den Knoten zu öffnen, an dem der Kollege hing.
Was wollte er jetzt vorbringen? Mathilde Graufuchs konnte er nicht geholfen haben. Vermutlich wusste Dobler noch nicht einmal, wo die Teufelsburg lag.
»Was verschafft mir die Ehre deines Besuches?«
Ohne zu antworten stürmte der kleine Mann einfach ins Haus, steuerte die Küche an und setzte sich auf den Stuhl, auf dem noch vor wenigen Minuten Günter Laug gesessen hatte.
»Hast du gehört, was mit unserer Kollegin Graufuchs passiert ist?«
»Klar«, murrte Laug. »Die ganze Schule spricht davon.«
»Mann! Du hast heute auch noch keinen daneben geschüttet«, empörte sich der Kollege. »Ich mach uns mal einen Kaffee. Denn ich brauche einen Gesprächspartner mit einem klaren Kopf.«
»Den Kaffee kannst du dir sparen«, murrte Laug. »Glaubst du, ich saufe das ganze Zeug, um nüchtern zu bleiben?«
Dobler ließ sich wieder auf den Stuhl zurücksinken und nickte. »Ich vermute mal, dass es dir so ähnlich geht wie mir.«
»Keine Ahnung. Wie geht es dir denn?«
»Ich habe Angst, ich könnte der Nächste sein, den dieser Geistesgestörte tötet.«
Laug lachte und meinte: »Wir haben alle Scheiße gebaut, was? Und jetzt geht uns der Arsch auf Grundeis.«
»Rede nicht so vulgär!«, mahnte Dobler. »Wenn man dich so hört, käme man nie auf den Gedanken, dass du Studienrat am Gymnasium bist.«
»Vielleicht ist das ganz gut so. Dann findet mich der Geistesgestörte , wie du so schön sagst, nicht.« Laugs Stimme troff vor Ironie. »Dabei glaube ich nicht an einen Geistesgestörten, sondern an einen Geistesgegenwärtigen. Vermutlich ein Schüler, der uns mal richtig kennengelernt
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